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Pilotprojekt Plattdeutsch - Abschlussbericht

 

Elsa Isaksson Biehl zum Pilotprojekt "Plattdeutsch in der Schule" des RPZ Aurich, das von 1991 bis 1996 im Auftrag des Niedersächsischen Kultusministeriums durchgeführt wurde:

"Wichtig erscheint mir auch die Integration der jungen Generation in die sprachpflegerischen Maßnahmen, da hierdurch der Anschluß an die Niederdeutschtraditionen der Region erhalten bleibt. Eine große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem schulischen Pilotprojekt zu. Auch wenn das Niederdeutsche nicht als Pflichtfach in den regulären Unterricht Eingang gefunden hat, bewirkte die sich über mehrere Jahre erstreckende Projektarbeit dennoch, daß der hochdeutsche Erwartungsdruck in den Schulen durchbrochen wurde und das Plattdeutsche ein zeitgemäßes Image als lebendige Regionalsprache zurückerhalten hat." 

Elsa Isaksson Biehl: Forschungsstand und Regionalsprachenförderung in Ostfriesland. Allgemeines zum Stand des Niederdeutschen in Norddeutschland. In: Peter Wagener (Hrsg.): Sprachformen. Deutsch und Niederdeutsch in europäischen Bezügen. Festschrift für Dieter Stellmacher zum 60. Geburtstag. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 1999, S. 133

 

Vgl. auch den 2. Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, Berlin: Bundesministerium des Innern, 2003, Rdn 959-966, dokumentiert unter: https://www.coe.int/en/web/european-charter-regional-or-minority-languages/reports-and-recommendations#{%2228993157%22:[8]}

"Mit der Entwicklung des Lehr- und Lernsystems und der Erhebungsinstrumente durch die Ostfriesische Landschaft hat die Landesregierung grundlegende Voraussetzungen für eine moderne Regionalsprachenförderung geschaffen, die nunmehr in den einzelnen Regionen genutzt und von den Beauftragten für Niederdeutsch im Unterricht nachgefragt werden sollten. Hierzu wird auf die Ausführungen in Rdn 959 verwiesen." (Rdn 964)

 

Dirk Gerdes: Fazit des Abschlussberichts (s.u.)

Zweisprachigkeit als Basis für einen erleichterten Fremdsprachenerwerb, interkulturelles Lernen ohne Fixierung auf ein fragwürdiges Konzept von "Nationalkulturen", ein offenes und handlungsorientiertes Verständnis von (regionaler) "Identität", der Verweis auf die Gleichzeitigkeit von Regionalisierungs- und Globalisierungstendenzen, Akzeptanz der Lehr- und Lernbarkeit einer Regionalsprache gegen überzogene (defensive) "Authentizitäts"-Normen der "Muttersprachler", die Verbreitung eines "dynamischen" Kulturbegriffs gegen die Gefahren einer "Ethnisierung" kultureller Differenzen in "geschlossenen Horizonten" - dies sind die Ansatzpunkte für eine höhere Akzeptanz des Themas "Plattdeutsch in der Schule", die sich aus unserer Bestandsaufnahme ergeben.

 

 

Dirk Gerdes:
Pilotprojekt Cover"Plattdeutsch in der Schule". Abschlussbericht.
Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), 2. Auflage 1997, 162 Seiten
(Hier gekürzt und überwiegend ohne Tabellen, Diagramme und Materialienanhang abgedruckt. Die Druckfassung ist über Fernleihe bei der Landschaftsbibliothek Aurich ausleihbar. Signatur
in der Deutschen Nationalbibliothek, Leipzig/Frankfurt: 1997 B 26064)

 


A. Einleitung

Die laufende Ratifizierungsdebatte über die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ hat jenseits der Auseinandersetzungen über befürchtete Folgekosten der in Teil III auszuwählenden Fördermaßnahmen neue inhaltliche Argumente und Perspektiven in eine alte Diskussion über den kulturellen Eigenwert von Regionalsprachen eingeführt.

Bis zur Ausarbeitung dieser Charta galten in scharfer Abgrenzung zwischen den Sprachen „nationaler Minderheiten“ und regionalen „Dialekten“ nationaler Standardsprachen unterschiedliche Maßstäbe für die rechtliche Verbindlichkeit und praktische Wirksamkeit staatlicher Sprachförderung: Minderheitensprachen stehen seit Ende des Ersten Weltkrieges unter dem Schutz des Völkerbundes und später der Vereinten Nationen. Ihr individueller Gebrauch und die Garantie dafür notwendiger Rahmenbedingungen durch den Staat gelten seither als Anspruch, der durch die universale Gültigkeit der Menschenrechte abgesichert ist.

Die Volksgruppenbewegung zwischen den beiden Weltkriegen sowie ihre Nachfolgeorganisationen nach dem Zweiten Weltkrieg - hier insbesondere die 1953 aus der „Union der Regionen (!) und nationalen Minderheiten“ (seit 1949) hervorgegangene „Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen“ (FUEV)1) - haben diesen individualrechtlichen Schutzanspruch seither mit zunehmenden Teilerfolgen als Gruppen- oder Kollektivrecht zu etablieren versucht. „Dialekte“ oder Regionalsprachen fielen nicht unter diesen Schutz. Sie wurden staatlicherseits entweder unterdrückt (Frankreich) oder dem vermeintlichen Traditionalismus der „Heimatpflege“ subsumiert.

Diese strikte Trennung zwischen Minderheiten- und Regionalsprachen, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund des problematischen „Volks“-Begriffes2) der Volksgruppenbewegung und ihrer ideologischen Nähe zum frühen Nationalsozialismus schon einmal überwunden zu sein schien, geriet erst durch den westeuropäischen Regionalismus seit Mitte der 60er Jahre erneut in die Diskussion.

Selbst Ethnologen waren inzwischen von ihrer Lehrmeinung einer „objektiven überindividuellen Realität“ ethnischer Gruppierungen abgerückt: „Als Geschöpfe ihrer Geschichte und Traditionen wurden ethnische Gruppen lange Zeit als weitgehend unveränderliche, ja sogar als urspüngliche (primordial) Kräfte angesehen. Heute vertreten die meisten Forscher ethnischer Beziehungen nicht mehr die Lehrmeinung von der sogenannten ‘eindeutig objektiven Realität’ ethnischer Gruppen und ethnischen Konflikts. Die langsam sich durchsetzende Sichtweise betont das Fließende und die Variabilität ethnischer Identitäten und Beziehungen.“3)

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1) Vgl. hierzu: D. Gerdes: Regionalismus als soziale Bewegung. Westeuropa, Frankreich, Korsika: Vom Vergleich zur Kontextanalyse. Frankfurt/M: Campus, 1985, S. 83 ff
2) Für eine ausführliche Darstellung vgl. D. Gerdes: Frankreich - „Vielvölkerstaat“ vor dem Zerfall? In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 12/80, 22. März 1980, S. 3 - 17. Für eine Diskussion der völkerrechtlichen Aspekte vgl. Ders.: Minderheitenschutz - eine internationale Rechtsnorm auf der Suche nach ihrem Gegenstand. In:
Vereinte Nationen 4/80, S. 126 - 131
3) Donald L. Horowitz: Cultural Movements and Ethnic Change. In: The Annals, Vol. 433, Sept. 1977, S. 7 (Übersetzung: D. G.)

 

Die Betonung historisch-politischer, wirtschaftlicher und kultureller Faktoren der Entstehung und des Wandels ethnischer Gruppierungen führten zu einer Relativierung des juristischen Konstrukts „nationaler“ bzw. „sprachlicher Minderheiten“ und machten auf die fließenden Übergänge zwischen regionalistischen Bewegungen und den politischen Ansprüchen historisch etablierter Minderheiten aufmerksam. Die umfangreichen kulturellen und sprachlichen Schutzrechte, die für Minderheiten selbstverständlich geworden waren, aber historisch immer wieder verletzt wurden, wurden bei vergleichbaren Diskriminierungen nun auch für Kulturregionen und Regionalsprachen eingefordert.
Während v. a. Frankreich, aber auch Italien und früher auch Spanien, strikt die Anerkennung nationaler oder sprachlicher Minderheiten in ihren nationalstaatlichen Grenzen verweigern und dadurch bis heute die „Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten“ im Europarat blockieren, ließen sie die „Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ passieren.

Parallel zu dieser völkerrechtlichen Diskussion hatte der Regionalismus der 60er und 70er Jahre einen entscheidenden Einfluß auf die Formulierung alternativer Strategien der Regionalentwicklung. Das seit 1971 auch datenmäßig erfaßbare Zurückfallen der Randregionen hinter die Entwicklungsdynamik der europäischen Kernregionen1) hatte die Grenzen einer zentral gesteuerten Industrieansiedlungs- und Infrastrukturpolitik aufgezeigt. Insbesondere der Nachweis einer hiermit verbundenen Vernachlässigung oder sogar Zerstörung der regionstypischen („endogenen“) Entwicklungspotentiale verstärkte die regionalistischen Forderungen nach einer „eigenständigen Regionalentwicklung“ im Interesse der Region. Eine wegweisende Veröffentlichung der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung über „Regionalismus und Regionalpolitik“2) machte erstmalig auch die Expertenöffentlichkeit in der Bundesrepublik auf die bis dahin vorwiegend in Frankreich, Italien und Spanien, aber auch in der Schweiz und in Österreich geführte Diskussion aufmerksam. Regionalentwicklung gilt seither als „integraler Prozeß, der ökonomische, soziokulturelle, politische (...) Faktoren in gegenseitiger Wechselwirkung umfaßt“ - so Walter Stöhr, einer der Pioniere heutiger Regionalentwicklungsforschung und -praxis3). Eine auf den sprachlichkulturellen Ressourcen regionaler Identität aufbauende Kulturpolitik wurde damit zu einer entscheidenden Voraussetzung für die (Wieder-)Gewinnung und Stärkung von „Regionalbewußtsein“ und damit von regionaler Initiative und Kreativität in allen Bereichen gesellschaftlichen Handelns4).Verstärkt wurde dieser Regionalisierungstrend der 80er Jahre in den letzten Jahren durch die Integration kommunitaristischer Dezentralisierungsansätze5) und das Konzept

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1) Vgl. dazu: Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.): Die Regionen Europas. Luxemburg 1981, S. 54 und 165, sowie die in dieser Serie folgenden Regionalberichte
2) Informationen zur Raumentwicklung, Heft 5, Bonn 1980
3) W. B. Stöhr: Alternative räumliche Entwicklungsstrategien endogener „selektiver Eigenständigkeit“. In: ÖZS 3/83, S. 124
4) Vgl. auch Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.): Regionalbewußtsein und Regionalentwicklung, Heft 7/8, Bonn 1987
5) Vgl. Die Zeit, Nr. 17, 21. April 1995, S. 33 ff

 

der „nachhaltigen Entwicklung“1). Die praktisch-politische Umsetzung dieser neuen Ansätze zeigt sich in der bundesweiten Einführung von Regionalkonferenzen bzw. Regionalen Strukturkonferenzen, für die Nordrhein-Westfalen zum Vorreiter wurde. Die drängender werdenden Anfragen und Appelle zur „Rettung“ oder Stützung des Niederdeutschen2) sind ein Indiz für diesen neuen Zeitgeist der Subsidiarität3), für den nicht mehr Dezentralisierung, sondern Zentralisierung begründungspflichtig geworden ist.

Vor diesem Hintergrund wurde 1990 beim Niedersächsischen Kultusministerium für Ostfriesland das Pilotprojekt „Plattdeutsch in der Schule“ durch das RPZ Aurich beantragt und nach einem explorativen Vorlauf mit Leeraner Schulen ab 1. 8. 1991 endgültig bewilligt und durchgeführt (vgl. Anhang, hier nicht abgedruckt). Nach dem Wortlaut des Bewilligungserlasses sollte das Pilotprojekt „Aufschluß über mögliche Maßnahmen zur Verbesserung des Stellenwertes der niederdeutschen Sprache“ geben, indem es „die fördernden und hemmenden Bedingungen des gegebenen schulischen Rahmens untersucht.“

Spezifiziert wurde diese Aufgabenstellung wie folgt:
„Durch ein übertragbares Erhebungsinstrument ist die bislang vorgenommene Gestaltung dieses Rahmens festzustellen. Das Instrument ist so zu entwickeln, daß es von Schulen im Bereich aller Landschaften und Landschaftsverbände genutzt werden kann. Es sollte Aussagen ermöglichen über die Ziele, Inhalte und Verfahren regionaler Fortbildungsmaßnahmen zur niederdeutschen Sprache, die Entwicklung notwendiger Strukturelemente eines Lehr- und Lernsystems für das Verstehen und Sprechen der niederdeutschen Sprache sowie über didaktische und methodische Fragestellungen zu der niederdeutschen Sprache als Unterrichtsgegenstand. Ein erarbeitetes Lehr- und Lernsystem soll darüber hinaus beispielhaft sein für die Entwicklung von Materialien in unterschiedlichen regionalpädagogischen Lernfeldern.“

Für die Durchführung des Pilotprojekts wurden 64 Anrechnungsstunden, aber keine zusätzlichen Personal- oder Sachkosten (außer Reisekosten) zur Verfügung gestellt. Mit der Leitung des Pilotprojekts (12 Verlagerungsstunden) konnte der Junglehrer Udo Franken betraut werden, der sich durch einschlägige Vorarbeiten an einer normativen Grammatik des ostfriesischen Plattdeutsch, durch Veröffentlichungen und als Autor zahlreicher preisgekrönter Hörspiele, Kurzgeschichten und Gedichte bereits einen überregionalen Namen gemacht hatte. Der zeitliche Horizont wurde unter dem Vorbehalt halbjährlicher Überprüfung und Berichterstattung auf 5 Jahre angesetzt, mußte schließlich aber wegen überdurchschnittlich hoher Ausfälle durch z. T. langwierige Erkrankungen (auch des Projektleiters!) und durch Häufung von Pensionierungsfällen um ein Jahr (unter Wegfall der 64 Anrechnungsstunden) verlängert werden. Die Auswahl der mit ein bis zwei Verlagerungsstunden für das Pilotprojekt freigestellten 30 Lehrerinnen und Lehrer wurde von den regionalen Schulaufsichtsämtern im Benehmen mit der Ostfriesischen Landschaft getroffen. Die Kriterien hierfür waren: Repräsentative Vertretung aller Schulformen und

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1) Vgl. H. Spehl, M. Tischer: Regionale Ansätze und Projekte nachhaltiger Entwicklung. In: Jörg Mayer (Hrsg.): Initiativen für eine nachhaltigere Entwicklung in Niedersachsen. Die Agenda 21 auf lokaler und regionaler Ebene. Loccumer Protokolle 55/95, Loccum 1996, S. 291 - 307
2) Die Bezeichnung „Niederdeutsch“ wird im Folgenden synonym für „Plattdeutsch“ und umgekehrt gebraucht. Die Wortwahl kennzeichnet keine Wertung.
3) So auch Ministerpräsident G. Schröder in seinem Festvortrag zum 18. Friesenkongreß in Aurich am 10. Mai 1991: „Wir können als Land nicht nur gegenüber der Bundesregierung und der EG-Kommission die volle Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes einfordern. Wir müssen im Sinne eines wohlverstandenen Binnenföderalismus das gleiche im Verhältnis der Landesregierung und der Landesverwaltung zu den örtlichen Organisationen unseres Landes gelten lassen.


-stufen sowie Stadt- und Landschulen, gleichmäßige Streuung über die Einzugsbereiche aller Schulaufsichtsämter, Versorgungsgrad der Schulen und bisheriges Engagement der teilnehmenden Lehrer/innen für den Mesterkring bzw. die schulische Berücksichtigung des Plattdeutschen. Eine Liste der ausgewählten Kolleg/inn/en findet sich im Anhang (hier nicht abgedruckt). Als Arbeitsgrundlage diente neben dem Erlaß (vgl. oben) eine „Interne Arbeitsplattfom“, in der nach den Erfahrungen des Leeraner Vorlaufs der „Ausgangspunkt, Sinn und Zweck sowie (die) Organisation des Projekts in Stichpunkten“ erläutert wurden (.....). Diese „Plattform“ wurde in den ersten Plenarsitzungen intensiv diskutiert. Die Akzeptanz der darin festgehaltenen Vorüberlegungen für eine Didaktik des Plattdeutschen in der Schule war überraschend hoch, obwohl sich zeigte, daß diese Gedanken für eine Mehrheit insbesondere der älteren Teilnehmer/innen teilweise neu waren. Die Organisation der Arbeit des Pilotprojektes in thematischen Arbeitsgruppen wurde bis zum Beginn des letzten Projektjahres beibehalten, in dem eine verkleinerte Redaktionsgruppe insbesondere für die Ausarbeitung der zusammenfassenden „Schulstufenprodukte“ gebildet wurde. Vorbereitet und begleitet wurde das Pilotprojekt von einer intensiven Pressearbeit (Beispiele im Anhang).

Einige der in anfänglicher Überschätzung der Arbeitskraft der Pilotprojekt-Teilnehmer/innen geplanten Projekte konnten, z. T. auch aus finanziellen oder technischen Gründen (Sprachkassetten), in der Laufzeit des Projekts nicht abgeschlossen werden. Der weitaus größte Teil wurde jedoch nach Aufarbeitung der Ausfälle (Krankheiten und Pensionierungen) wie geplant zu Ende geführt: Im Anhang findet sich zum Vergleich mit der Liste der Projektveröffentlichungen exemplarisch ein Halbjahresbericht aus der Startphase.

Gemäß der Aufgabendefinition durch den Bewilligungserlaß waren dem Pilotprojekt zwei Schwerpunkte gesetzt: Zum einen die Entwicklung eines „übertragbaren Erhebungsinstruments“ als Grundlage gezielter weiterer Fördermaßnahmen durch das Land Niedersachsen, zum anderen eines exemplarischen „Lehr- und Lernsystems“, das in Anpassung an die unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten in Niedersachsen auch für andere Regionen des Landes Anstöße und Anregungen geben sollte.

Für die Ausarbeitung des „Lehr- und Lernsystems“ erwies es sich im Verlauf des Pilotprojekts als sinnvoll, von der Vorstellung „Lesebuch“ abzurücken und die fächerübergreifende Ausrichtung der erarbeiteten und allesamt mehrfach erprobten Materialien in sog. „Stufenprodukten“ auch durch die Begriffswahl deutlich zu machen. Ergänzt werden diese Stufenprodukte durch Einzelveröffentlichungen nach thematischen oder fachbezogenen Kriterien. Der in dem Bewilligungserlaß insbesondere durch Hinweis auf die Rahmenrichtlinien spezifizierte „gegebene schulische Rahmen“ wurde bei der Erarbeitung der Materialien extensiv interpretiert, so daß die ausgewählten Lernanlässe und -inhalte der Lehrerschaft eine breite Auswahl ermöglichen.

Bis heute und auch in naher Zukunft kann nicht davon ausgegangen werden, daß die einzelnen Schulstufen bei der Einbeziehung des Plattdeutschen in den Unterricht auf jeweils verbindlich vermittelten Vorkenntnissen aufbauen können. Von daher wurden die beiden vorieigenden Stufenprodukte überlappend angelegt: GS/OS und OS/HS/RS/Gesamtschulen/Gymnasien. Das Sek. I-Stufenprodukt ist in Teilen darüber hinaus auch in der gymnasialen Oberstufe einsetzbar. Da der Genehmigungserlaß lediglich die Rahmenrichtlinien bis zum Ende der Sek. I aufführt, konzentrierte sich die Arbeit auf diese Schulstufen. Überwiegend in Einzelarbeit erstellte der einzige dem Pilotprojekt bis zum Abschluß verbliebene Gymnasiallehrer einen Manuskriptentwurf für ein gesondertes Sek. II-Stufenprodukt, das sich methodisch und inhaltlich an der philologischen Praxis der Wissensvermittlung in dieser Schulstufe orientierte und damit in einen auffallenden Kontrast zum pädagogischen Ansatz der anderen Stufenprodukte geriet. Auch gegenüber den aus anderen Regionen vorliegenden Materialien waren wenig neue Ansätze erkennbar, so daß eine Veröffentlichung zunächst zurückgestellt wurde.

Daß Regionalsprachen auch lehr- und lernbar sind, stößt bei überzeugten muttersprachlichen „Plattdeutschen“ immer noch auf Skepsis und Abwehr. Die Gründe hierfür sind in der in einigen Regionen Norddeutschlands schon subkulturellen Ghettoisierung des Plattdeutschen („Nahsprache“, „verborgene Zweisprachigkeit“) zu suchen. Sie werden in der Bestandsaufnahme dieses Abschlußberichts ausführlich thematisiert. Andererseits wächst zumindest in Ostfriesland die Nachfrage nach Plattdeutsch-Kursen (VHS-Kurse werden zunehmend angeboten), was auf eine Aufweichung bisheriger Tabuisierungen hindeutet. Ein Kursangebot der BBS Leer für Verkaufslehre auf Plattdeutsch fand große Resonanz, und die Sprachrealität in den Betrieben (vgl. Bestandsaufnahme, Kap. 1.2.) wird für die Schülerinnen und Schüler spätestens während ihres Betriebspraktikums zum Thema. Ein regionales Kreditinstitut richtet in Kooperation mit der Regionalsprachlichen Fachstelle der Ostfriesischen Landschaft sogar einen regionalsprachlichen Weiterbildungskurs „Verkaufslehre und Kundenbetreuung“ für das Personal örtlicher Betriebe ein. Vor diesem Hintergrund bildete sich auch im Pilotprojekt „Plattdeutsch in der Schule“ unter Betreuung der Regionalsprachlichen Fachstelle eine Arbeitsgruppe „Spracherwerb“, die sich die Ausarbeitung eines Kurses zum Ziel setzte. In der Bearbeitung von Cornelia Nath (Leiterin der Fachstelle) und Herma Knabe (Mitglied des Pilotprojekts) konnte ein professionelles Lehrbuch für Anfänger fertiggestellt werden, das ab der Orientierungsstufe eingesetzt werden kann.

Die Forderung nach einem „übertragbaren Erhebungsinstrument“, das gleichermaßen den Ist-Zustand erfassen, sowohl abstrakte als auch konkrete Aussagen über einen Soll-Zustand ermöglichen sowie einfach handhabbar sein sollte, war die wohl komplexeste Aufgabendefinition des Bewilligungserlasses. In langwierigen Diskussionen und Testversuchen wurden zwei Fragebögen für eine Schüler- und für eine Lehrerbefragung entwickelt. Der Schülerfragebogen wurde zudem durch einen schriftlichen Test zur Erfassung der aktiven und passiven Sprachkenntnisse ergänzt. Die method(olog)ischen Probleme und Überlegungen, die die Entwicklung des Schülerfragebogens und des Sprachtests begleiteten, werden in der Bestandsaufnahme (Kap. 3.3.1.) ausführlich reflektiert. Die Ergebnisse der Schülerbefragung dürften die Brauchbarkeit dieses Instruments belegen.

Der Lehrerfragebogen konnte aus dem Kontext der langjährigen RPZ-Erfahrungen und aus der laufenden Arbeit des Pilotprojekts heraus konstruiert und erprobt werden: Nicht der Fragebogen und seine Auswertung konstituieren eine soziale Realität („Befragungskonstrukt“), sondern der tägliche Umgang mit dieser Realität sollte durch den Fragebogen widergespiegelt werden. Der Verfasser hat sich an anderer Stelle ausführlich mit den methodologischen Problemen einer solchen „quantifizierenden Kontextanalyse“1) auseinandergesetzt, auf die hier nur verwiesen werden kann. Dies gilt auch für eventuelle klassische Einwände gegen die Reliabilität der durchgeführten Umfrage.
Die Adessaten der Lehrerumfrage wurden nach dem Verfahren einer „systematischen Auswahl“ ermittelt: Aus einer vorliegenden, nach Landkreisen und Schulen geordneten vollständigen Namensliste aller Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen der Region wurde jeder 15. Name in fortlaufender Zählung angeschrieben. Dies ergab eine Auswahl von 287 Lehrerinnen und Lehrer, von denen 127 in verwertbarer Form anonym antworteten.

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1) Vgl. D. Gerdes: Regionalismus als soziale Bewegung, a. a. O., S. 214 ff

 

Aus Kostengründen mußte auf eine Nachfrage verzichtet werden, die die Rücklaufquote sicherlich über die erreichten 44,3 % hinaus angehoben hätte. Die Validität der Befragung kann an der Darstellung und Interpretation der Ergebnisse in der folgenden Bestandsaufnahme überprüft werden. Die Datenerfassung und -auswertung beider Umfragen übernahmen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Aurich im Rahmen eines Informatik-Projektes von Frau StRn Mareike Neudeck. Die Zuverlässigkeit der Datenerfassung wurde durch die getrennte Erstellung von jeweils zwei Datensätzen in zwei Schüler/innengruppen mit anschließendem Abgleich gesichert. Die statistischen Operationen beschränkten sich auf bivariate Kreuztabellierungen nach Vorgaben des Verfassers. Die Datensätze sind im RPZ auf Computer gespeichert; die Originalfragebögen des Rücklaufs wurden archiviert.

Bei der Darstellung der Befragungsergebnisse wurde die einfache Form der Auswertung beibehalten, so daß die Bestandsaufnahme auch ohne Spezialkenntnisse in der empirischen Umfrageforschung nachzuvollziehen ist. Beide Befragungen erlauben dennoch sowohl konkrete als auch abstrakte Schlußfolgerungen im Sinne der Aufgabenstellung des Bewilligungserlasses, die aus der Sicht des Pilotprojektes im Kapitel „Ansatzpunkte und Maßnahmen für einen verbesserten schulischen Stellenwert des Plattdeutschen“ zusammengefaßt wurden. Beide Kapitel - sowohl die „Bestandsaufnahme“ als auch das eben genannte - sind so verfaßt worden, daß sie separat gelesen werden können.

(Vgl. zum Stand 2014: http://www.landesschulbehoerde-niedersachsen.de/bu/schulen/unterricht-faecher/schulformuebergreifende-beratung/region-im-unterricht/material)

 

B. Bestandsaufnahme

1.  Niederdeutsch heute: Wertewandel, Regionalsprachenförderung und gesellschaftliche Sprachrealität

1.1. Von der Mundartnostalgie zur modernen Regionalsprachenförderung in Ostfriesland

Im Sommer 1984 führte die Bremer Gesellschaft für angewandte Sozialpsychologie (GETAS) in Norddeutschland (Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen) eine repräsentative Erhebung zur „Lage des Niederdeutschen heute“ durch. Die Planung und Auswertung dieser Erhebung lag in den Händen einer vom Institut für Niederdeutsche Sprache, Bremen, berufenen Gruppe norddeutscher Soziolinguisten unter der Leitung des Göttinger Hochschulprofessors Dieter Stellmacher. Die Ergebnisse wurden in einer Kurzfassung 1987 veröffentlicht. Die Erhebung orientierte sich an der klassischen kommunikationstheoretischen Fragestellung: „Wer spricht heute Plattdeutsch mit wem, an welchen Orten, bei welchen Gelegenheiten, mit welcher Absicht?“ (A. a. O., S. 10), und definierte vier Ziele der Befragung:
1. Ermittlung niederdeutschen (aktiven und/oder passiven) Sprachvermögens (= Sprachkompetenz);
2. Einsichten in Situationen und Themen, in denen und über die niederdeutsch gesprochen/geschrieben wird;
3. Benennung von Personen (als Vertreter sozialer Gruppen und Gruppierungen), mit denen niederdeutsch mündlich/schriftlich kommuniziert wird;
4. Kennenlernen von Meinungen über das Niederdeutsche, seine Rolle und seinen Wert heute.“ (A. a. O., S. 11)

Einen herausragenden Platz in der Vorstellung und Interpretation der Daten räumt die Veröffentlichung dem vierten Fragenkomplex ein, da ein „angemessenes Verständnis ... (von Dialektkompetenz)“ nur möglich sei, „wenn man zunächst etwas über den Hintergrund weiß“: „Zwischen dem Ansehen einer Sprachform und ihrem Gebrauch besteht ein Zusammenhang.“ (A. a. O., S. 14)

Deutlich wird in der veröffentlichten Kurzfassung allerdings, daß das Ansehen des Plattdeutschen durch viele Facetten geprägt ist, die für den Gebrauch dieser Sprache von höchst unterschiedlicher Relevanz sind:
Der festgestellten allgemeinen, aber unverbindlichen Wertschätzung des Plattdeutschen (70 % halten von der plattdeutschen Sprache „sehr viel“/“viel“) steht unvermittelt ein ebenso hoher Prozentsatz von Meinungsäußerungen der Nicht-Plattsprecher gegenüber, die keineswegs „bedauern, nicht plattdeutsch sprechen zu können“ (a. a. O., S. 15). Der scheinbar hohen Toleranz, die 85 % der Befragten ihr Einverständnis erklären läßt, wenn ihre „Kinder auf der Straße Plattdeutsch lernten“, steht die kategorische Ablehnung von 59 % der Befragten gegenüber, selbst mit ihren Kindern plattdeutsch zu sprechen (a. a. O., S. 16). So kann Stellmacher zwar feststellen: „Die seit den frühen 1970er Jahren herrschende Dialektwelle, die an eine verbreitete Sehnsucht nach alternativem, einfachem und gesundem Leben gebunden ist (von den Soziologen Postmaterialismus genannt), beeinflußt die Einstellung zum Dialekt positiv.“ (A. a. O., S. 20), für die alltägliche Akzeptanz und den selbstverständlichen Gebrauch des Plattdeutschen scheint dieser „Postmaterialismus“ jedoch Mitte der 80er Jahre nur von untergeordneter Bedeutung gewesen zu sein.

Die damaligen Befunde bestätigen eher die kritische These des Volkskundlers Konrad Köstlin von 1986: „Wenn heute von Mundart die Rede ist, dann bezieht sich diese Rede kaum mehr auf die alltagspraktische Selbstverständlichkeit der gesprochenen Sprache. Dabei hat diese Bedeutung des Dialekts nicht schon ihr Ende gefunden, aber sie wird kaum beeinflußt von den neuen Bewertungen der Sache Mund-Art.“1)

Geht es um die „alltagspraktische Selbstverständlichkeit“ des Gebrauchs von Plattdeutsch, so geben hierfür die Umfrageergebnisse in regionaler Aufgliederung und in der Differenzierung nach Altersgruppen und Sprechsituationen nähere Hinweise:
-   Im gesamten niederdeutschen Sprachgebiet weist der Bereich Niedersachsen-Nord/Bremen mit 41 % den höchsten Prozentsatz aktiver Platt-Sprecher („sehr oft“/“oft“) auf (a. a. O., S. 22/101).
-   55 % der Befragten aus Niedersachsen-Nord/Bremen geben „sehr gute“ passive Sprachkenntnisse an. Auch dieser Prozentsatz ist der höchste im gesamten Untersuchungsgebiet (a. a. O., S. 23).
-   Bei einer Altersgruppenaufgliederung geben im gesamten Untersuchungsgebiet bereits 65 % der 18 - 34jährigen an, überhaupt keine aktive Sprachkompetenz im Niederdeutschen mehr zu haben. Auch hier weist der Bereich Niedersachsen-Nord/Bremen mit 44 % Nicht-Sprechern immer noch den niedrigsten Wert aus (a. a. O., S. 26/95).
-   Auf die Frage, ob nach Ansicht des Befragten „bei bestimmten Anlässen lieber Plattdeutsch oder lieber Hochdeutsch gesprochen werden sollte“, findet sich im gesamten Untersuchungsgebiet für schulische Kommunikationssituationen (Lehrer - Eltern, Lehrer - Erstkläßler) nur noch eine kleine Minderheit (6 - 10 %) von Plattdeutsch-Befürwortern. Ebenso deutlich ist die Ablehnung des Niederdeutschen für die     Kommunikation zwischen Eltern und Kindern im Schulalter (nur 10 % Befürworter), während immerhin noch 22 % die Regionalsprache im Gespräch zwischen Eltern und erwachsenen Kindern befürworten (a. a. O., S. 106).

Regional vergleichsweise fest verankert zeigte sich das Plattdeutsche in dieser Umfrage also im Raum „Niedersachsen-Nord“, dem „Kerngebiet des Niederdeutschen“ (a. a. O., S. 15). Eine kleinräumigere Differenzierung lassen die veröffentlichten Zahlen nur insofern zu, als in Gebieten mit überwiegend kleinstädtischer bzw. dörflicher Struktur von einer wesentlich höheren Wertschätzung des Niederdeutschen ausgegangen werden kann (vgl. a. a. O., S. 105/106).

Nachhaltiger als durch die damalige modisch-mediale „Dialektwelle“ wird der „alltagspraktische“ Gebrauch des Plattdeutschen nach den hier referierten Ergebnissen der Befragung offenkundig durch die generationenüberdauernden Erfahrungen mit dem „sprachlichen Normendruck“ des Erziehungswesens beeinflußt:

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1) K. Köstlin: Der Umgang mit Mundart und Dialekt in der gegenwärtigen Gesellschaft. In: Konjunktur und
Kommerz mit Plattdeutsch. Loccumer Protokolle 6/86, S. 17


Die Bedenken, mit Kindern und Enkeln plattdeutsch zu sprechen, ergeben sich zweifelsfrei aus der allgemeinen Erziehungshaltung: Kinder sollen zu einem guten (Hoch-)deutsch geführt werden und der Mundart wegen in der Schule keine Nachteile erfahren. (...) Sogar mit dem bloß hochdeutsch sprechenden Hausarzt wird häufiger Platt gesprochen als mit dem den sprachlichen Normendruck verkörpernden Lehrer“ (a. a. O., S. 33-34, Hervorhebung nicht im Original).

Dieser in der allgemeinen Schulpflicht institutionalisierte Normendruck ist keine Erscheinung des 20. Jahrhunderts, geschweige denn vergangener Jahrzehnte, sondern hat eine lange Geschichte, in der anscheinend sämtliche Argumente, die auch in den 70er und 80er Jahren ausgetauscht wurden, in immer neuen Varianten in die Diskussion eingebracht wurden1):

Die kulturelle Opposition zwischen „aufgeklärter Weltoffenheit“ und „Provinzialismus“, zwischen „Heimatliebe“ und „Weltbürgertum“, die pädagogische Klage über „Sprachbarrieren“ und deren „emanzipatorische“ Überwindung, aber auch die mühselige Arbeit an plattdeutsch-hochdeutschen Interferenzen im Rahmen eines kontrastiven Deutschunterrichts bis hin zur subkulturellen Aufwertung des Plattdeutschen „als Sprache des regionalen Protests gegen die Hauptstädte und gegen das große Geld der Konzerne“ (K. Köstlin, a. a. O., S. 25) - alle diese Auseinandersetzungen über die notwendige Überwindung oder Verteidigung kleinräumiger regionalsprachlicher Prägungen basieren implizit oder explizit auf zwei Prämissen, deren ungebrochene Gültigkeit und Relevanz heute nicht mehr selbstverständlich sind:

1. Den Gegnern galt jede Form der Regionalsprachenförderung in ideologiekritischer Analyse als gesellschaftlich rückständiger Abwehrreflex gegen den mit der Aufklärung einsetzenden Modernisierungsprozeß: „Die Erforschung der Mundarten, ihre Pflege und die Sorge um ihr Ende gehören zum Prozeß der Modernisierung und ihrer halbherzigen Abwehr durch das mittlere Bürgertum“ (Köstlin, a. a. O., S. 14).

2. Die Verteidiger regionalsprachlicher Besonderheiten setzten als Norm für deren „Authentizität“ („echtes“ Plattdeutsch) einseitig die monolinguale muttersprachliche Vermittlung und Verankerung einer Regionalsprache: „In aller Regel wird (wissenschaftlich) nicht ein sprachlicher Ist-Stand festgehalten, sondern ein möglichst antiquierter Sprachstand von steinalten Gewährspersonen ... konserviert“ (Köstlin, a. a. O., S. 15). Entsprechend oft wurde die Meinung vertreten, Plattdeutsch sei nicht lehrbar.

Diese schon historische Polarisierung im Umgang mit regionalen Sprachvarianten prägt bis heute Einstellungen und öffentliche Diskussionen über das Für und Wider der Regionalsprachenförderung, obwohl neuere gesellschaftliche Trends den Realitätsbezug beider Positionen zunehmend unterspülen.

 

Zu 1: Fraglich ist zunächst das lineare Verständnis von „Modernisierung“ als Prozeß zunehmender Zentralisierung oder Universalisierung („Globalisierung“) sowohl kultureller als auch politischer und ökonomischer Handlungsorientierungen: Zentralisierung und Dezentralisierung stehen heute eher in einer dynamischen Wechselbeziehung zueinander als in grundsätzlicher Opposition.

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1) Für einen historischen Abriß dieser Diskussion vgl. Dieter Möhn: Plattdeutsch in der Schule. Probleme einer mehrsprachigen Erziehung in Norddeutschland. In: Ludger Kremer (Hrsg.): Niederdeutsch in der Schule. Beiträge zur regionalen Zweisprachigkeit. Münster: Westfälischer Heimatbund, 1989, S. 19 - 35. (Erstveröffentlichung: 1986)


Zu beobachten ist diese Wechselbeziehung an scheinbar so disparaten Phänomenen wie dem explosiven Wachstum des Internet, der Debatte um „lean management“ und „neue Schlüsselqualifikationen“, der Kopplung des „Maastrichter Vertrages“ zum Ausbau der Europäischen Union an die europaweite Anerkennung des Subsidiaritätsprinzips („Europa der Regionen“) oder der zunehmenden Verlagerung der Verantwortung für regionale Strukturpolitik von der Bund-Länder-Ebene auf die europäische und gleichzeitig auf die regionale Ebene (regionale „Strukturkonferenzen“). Auch die heutige Bezeichnung „Weltmusik“ für das, was in den 70er Jahren „Folk“ genannt wurde, trifft diese Entwicklung.

Olaf Schwencke hatte so in seinem Festvortrag zum Kongreß „Niederdeutsch morgen - Perspektiven in Europa“ (Lüneburg, 19.-21.10.1990) bereits festeren Boden unter den Füßen als noch in den 70er Jahren, wenn er - im Blick auf die Wiedervereinigung - behauptete: „Ich halte den Faktor ‘regionale Kreativität’, der ja insbesondere für die jeweilige Kultur- und Sprachgestaltung gilt, für wichtig im deutschen Demokratie-Prozeß und unabdingbar im Kontext nachholender Modernisierung.“1)

Ausgangspunkt jeder Debatte über den Zusammenhang zwischen Modernisierung und regionaler Kulturpolitik sowie Regionalsprachenförderung sollte die Minimaldefinition von „Region“ in der „Regionalisierungscharta“ des Europäischen Parlaments vom November 1988 sein:
1. Im Sinne dieser Charta versteht man unter Region ein Gebiet, das aus geographischer Sicht eine deutliche Einheit bildet, oder aber einen gleichartigen Komplex von Gebieten, die ein in sich geschlossenes Gefüge darstellen und deren Bevölkerung durch bestimmte gemeinsame Elemente gekennzeichnet ist, die die daraus resultierenden Eigenschaften bewahren und weiterentwickeln möchte, um den kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt voranzutreiben.
2. Unter gemeinsamen Elementen einer bestimmten Bevölkerung versteht man gemeinsame Merkmale hinsichtlich der Sprache, der Kultur, der geschichtlichen Tradition und der Interessen im Bereich der Wirtschaft und des Verkehrswesens. Es ist nicht unbedingt erforderlich, daß all diese Elemente immer vereint sind.“

Regionsbildung wird heute also nicht mehr als ein „traditionalistisches“ Relikt vormoderner Lebenszusammenhänge gesehen, sondern als ein kontinuierlicher „gesellschaftlicher und politischer Verständigungsprozeß, in dem es um Konsensbildung über Ziele und Wege einer möglichst eigenständigen und regionsverträglichen Modernisierung geht. Erleichtert wird diese Konsensbildung durch die Gemeinsamkeit von Lebensgewohnheiten und Hintergrundüberzeugungen, über die sich die Akteure einer Region nicht jeweils neu verständigen müssen. Regionale Identität aktualisiert sich im gemeinsamen Handeln vor dem Hintergrund eines historisch-kulturellen Zusammengehörigkeitsgefühls.“2)

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1) Olaf Schwenke: Europa der Regionen. Perspektiven für eine sprach-bewußte europäische Kulturgesellschaft. In: R. Speckmann (Hrsg.): Niederdeutsch morgen. Perspektiven in Europa. Beiträge zum Kongreß des Instituts für niederdeutsche Sprache, Lüneburg, 19. - 21.10.1990. Leer: Schuster, 1991, S. 27 f
2) Dirk Gerdes: Regionale Kultur als Entwicklungsfaktor. In: Neues Archiv für Niedersachsen 1/1995, S. 133 f. Die folgenden Ausführungen zu „regionaler Identität“ sind ebenfalls diesem Aufsatz entnommen.

 

Regionale Identität steht als Orientierungshilfe für Gemeinschaftsbildung und gemeinschaftliches Handeln auch in ländlichen Regionen in Konkurrenz oder quer zu räumlich indifferenten Orientierungen nach Schichtungsmerkmalen, (partei-)politischen Überzeugungen, modischen oder subkulturellen Lebensstilen oder beruflichen Solidaritäten. Wird regionale Identität zu einem Thema gesellschaftlicher Diskussion, dann zeigen sich sehr schnell unterschiedliche Betroffenheiten und Einstellungen. Mit Michel Bassand1) können wir hierbei fünf Einstellungstypen unterscheiden:

  • Apathische und resignierte Regionalbewohner ohne jede Beziehung zur oder Bindung an die Region. Sie sind „isolierte und unkritische Konsumenten der Massenkultur ...“. Sie werden von diesen Auseinandersetzungen nicht (mehr) erreicht. Apathie als Phänomen kultureller Entfremdung oder Enteignung ist gerade in Randregionen häufig anzutreffen.
  • Die potentiellen Emigranten, die sich ebenfalls nicht mit ihrer Region identifizieren, dafür aber, anders als Gruppe 1, persönliche Vorstellungen und Pläne haben, die in ihrer Heimatregion nicht umzusetzen sind. Sie schauen mit kritischer, wenn nicht sogar verachtender Distanz auf das soziale, kulturelle und politische Leben der Region („Provinz“!), werden aber, wenn ihnen der „Absprung“ geglückt ist, sehr oft im Laufe der Jahre zu glühenden Nostalgikern mit einem idyllisch-verzerrten Bild ihrer Herkunftsregion.
  • Die Modernisierer der Region, die sich voll (und meistens in führenden Positionen) in das soziale, ökonomische und politische Leben integrieren, sich dabei aber bewußt von der Geschichte, der Sprache und den eigenständigen Lebensformen ihrer Region distanzieren. Diese gelten ihnen als obsolete Traditionen, als Verengungen des Horizontes und somit als Modernisierungshemmnisse. Demgegenüber zeigen sie eine fast kritiklose Offenheit gegenüber allen Neuerungen der Metropolen, zu denen sie intensive Kontakte pflegen. Sie sind die provinziellen Partner herkömmlicher Regionalpolitik „von oben“.
  • Die Traditionalisten identifizieren sich in teilweise militanter Form mit der Geschichte, Sprache, Kultur und den Traditionen der Region, deren Wandel ihnen als Verlust erscheint. Von daher stemmen sie sich gegen Modernisierungen und sozialen Wandel und versuchen, in möglichst vielen Lebensbereichen fremde Einflüsse abzuwehren oder vergangene Zustände wiederherzustellen.
  • Die Regionalisten sehen, wie die Modernisierer, die Aufgabe der Entwicklung ihrer Region als zentral an, jedoch „nicht um jeden Preis und mit allen Mitteln“. Die naturräumlichen, historischen und kulturellen Besonderheiten der Region sind für die Regionalisten positive Werte und der Ausgangspunkt jeder Regionalentwicklung. Modernisierung hat hierauf aufzubauen und gewinnt somit ein regionales Profil, mit dem sich die Bewohner der Region identifizieren können und das die Region für Außenstehende unverwechselbar macht.

 

Zu 2: Die öffentlichen Diskussionen über Plattdeutsch waren bis Ende der 60er Jahre ausschließlich durch den Gegensatz zwischen „Modernisierern“ und „Traditionalisten“ geprägt. Die modische „Dialektwelle“ der 70er Jahre konnte diese festgefügten Fronten allenfalls in subkulturellen Nischen durchbrechen, führte aber immerhin zu einer vorsichtigen Fühlungnahme zwischen „Traditionalisten“ und einem Teil der „Neuen Sozialen Bewegungen“. Aber erst die Entwicklungen auf europäischer Ebene2) , das Abflauen des Ost-West-Konflikts sowie

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1) M. Bassand: Culture and Regions of Europe. Council of Europe. Strasbourg 1993, S. 187 f. 13

2) Vgl. hierzu: D. Gerdes: Regionalismus als soziale Bewegung: Westeuropa, Frankreich, Korsika. Vom Vergleich zur Kontextanalyse. Frankfurt/New York 1985, Kap. ID (S. 81 - 91). Ders.: Was bewegt die „Provinz“? Ländliche Räume zwischen Resignation und Regionalismus. In: Forschungsjournal NSB 4/91, S. 9 - 19

 

wirtschaftliche Modernisierungsprozesse relativierten auch die bis dahin herrschenden linearen Modernisierungsvorstellungen kultureller und politischer Eliten. In der Regionalentwicklungsforschung und im (kultur-)politischen Diskurs (Europäisches Parlament, Europarat) wurde zunehmend erkannt, daß regionale Sprachen und Kulturen zu den vernachlässigten Ressourcen für gesellschaftliche Sinngebung (regionale Identität) sowie für die Mobilisierung von gesellschaftlichem Engagement und Kreativität und somit für die Entfaltung regionaler Entwicklungspotentiale gehören. Eine auf den sprachlich-kulturellen Ressourcen aufbauende Kulturarbeit übernimmt in neueren Ansätzen „eigenständiger Regionalentwicklung“ (in Verbindung mit Konzepten des „Kommunitarismus“ und der „nachhaltigen“ Entwicklung) die Funktion, die (Wieder-)Gewinnung und Stärkung von „Regionalbewußtsein“ und damit von regionaler Initiative und Kreativität in allen Bereichen gesellschaftlichen Handelns zu fördern und zu erhalten. Für diese Zusammenhänge sind inzwischen europaweit viele regionale Beispiele dokumentiert und analysiert worden (vgl. u. a. das zitierte Buch von M. Bassand).

Erst vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen nach vollzogener Ratifizierung durch die Bundesregierung und langwierigen Diskussionen auf Länderebene auch dem Niederdeutschen einen veränderten kultur- und sprachpolitischen Stellenwert verschaffen wird.

Das Leitbild dieser Charta ist nicht die Konservierung traditionaler Sprachinseln, sondern die kulturelle Anerkennung von praktizierter Mehrsprachigkeit im Sinne einer selbstverständlichen Koexistenz lebendiger Regional-(bzw. Minderheiten-)sprachen, nationaler Standardsprachen sowie mindestens einer international gebräuchlichen lingua franca. Dieses Leitbild wird gegenüber den Zielvorstellungen und Normen traditioneller Sprachpflege wieder stärker die „alltagspraktische Selbstverständlichkeit der gesprochenen Sprache“ (Köstlin, vgl. oben) und ihre kommunikative Funktion in den Mittelpunkt rücken, zugleich aber auch ihren defensiven Radius als „Nahsprache“ wieder zu erweitern helfen.

Vor dem Hintergrund der durch das Erziehungssystem bewirkten weitgehenden Verdrängung des - im Wortsinne - „muttersprachlichen“ Plattdeutsch durch die hochdeutsche Standardsprache, die auch durch unsere Umfragen belegt wird, werden ergänzende Formen der außerfamiliären Sprachvermittlung mehr Aufmerksamkeit finden, während als Basis von Mehrsprachigkeit zugleich die familiäre Erziehung zur Zweisprachigkeit das traditionelle Leitbild der regionalen „Muttersprache“ ablösen wird.

Im Sinne dieser Konzeption hat die Regionalsprachliche Fachstelle der Ostfriesischen Landschaft (heute: Plattdütskbüro) in den vergangenen acht Jahren eine systematische Regionalsprachenförderung aufgebaut, die u. a. die folgenden Bereiche umfaßt:

  • Propagierung familiärer Zweisprachigkeit: Alle Standesämter Ostfrieslands verteilen an junge Eltern eine populär gehaltene Broschüre mit  dem Text eines Vortrags, den die renommierte Hamburger Professorin Els Oksaar 1992 in Aurich gehalten hat (vgl. Anlage).
  • Gründung eines regionalen Arbeitskreises „Plattdeutsch in Kindergärten und Vorschulen“: Entwicklung einer Methodik vorschulischer bilingualer Sprachförderung mit entsprechenden Veröffentlichungen und Fortbildungsveranstaltungen.
  • Beratung des und Mitarbeit im Pilotprojekt „Plattdeutsch in der Schule“: Entwicklung eines Spracherwerb-Kurses (ab Orientierungsstufe). Ausarbeitung eines Lehrerhandbuches zur vorliegenden Sammlung moderner plattdeutscher Kinder- und Jugendtheaterstücke.
  • Organisation und Betreuung schulischer Theaterfahrten. Vermittlung professioneller theaterpädagogischer Betreuung für zwei Modellprojekte ostfriesischer Schulen.
  • Betreuung des von einem regionalen Kreditinstitut eingerichteten Arbeitskreises „Plattdeutsch im Berufsleben“. Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen „regionalsprachliches Verkaufstraining“ für das Personal örtlicher Wirtschaftsbetriebe.
  • Betreuung und Professionalisierung regionalsprachlich orientierter Kulturaktivitäten (Schriftsteller, Volksbühnen, Rockbands etc.). Sprachwissenschaftliche und -normierende Publikationstätigkeit (Schreibweise, Wörterbücher).
  • Einrichtung einer Vortragsserie über Regionalsprachen in Westeuropa und Herausgabe einer entsprechenden Veröffentlichungsreihe.
  • Sprachpolitische Öffentlichkeitsarbeit, Lobbytätigkeit (Landesverfassung, Schulgesetz, Europäische Charta).

Die jährlich in Zusammenarbeit mit dem Verein „Oostfreeske Taal“ veranstalteten Regionalsprachentage („Streektaaldag“) sind inzwischen zu einer öffentlich weithin beachteten und meinungsbildenden Einrichtung geworden. Die kulturelle Breitenwirksamkeit dieser Arbeit ist an den Ergebnissen der im Rahmen des Pilotprojekts durchgeführten Lehrerumfrage deutlich zu erkennen (vgl. weiter unten Kap. 4). Die zunehmende Mittelknappheit begünstigt heute jedoch den Rückgriff auf scheinbar bewährte Formen „hochkultureller Angebotskultur“ zu Lasten kultureller Breitenarbeit1) , so daß es bis zu einer durchgängigen Akzeptanz dieses neuen Leitbildes moderner Regionalsprachenförderung noch ein weiter Weg ist, auf dem auch weiterhin sehr viele überkommene Klischees beiseite zu räumen sind.
Überzeugend wirken dabei weniger theoretische oder kulturpolitische Argumente als vielmehr eine dicht an der alltagspraktischen Sprachrealität geführte Diskussion. In diesem Sinne seien hier vor der schulischen Bestandsaufnahme zunächst noch die Ergebnisse einer regionalen Erhebung zum „Plattdeutschen im Berufsleben“ vorgestellt, die zumindest für Ostfriesland auch den öffentlichen Stellenwert der Regionalsprache deutlich machen.

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1) Vgl. D. Gerdes: Regionale Kultur als Entwicklungsfaktor. Kritische Anmerkungen zu aktuellen Trends regionaler Kulturförderung. In: Neues Archiv für Niedersachsen 1/1995, S. 127 - 136

1.2. Plattdeutsch im Berufsleben: Die wichtigsten Ergebnisse einer Umfrage unter 495 Berufsschülerinnen und -schülern in Leer und Aurich
Eine auf Initiative eines regionalen Kreditinstituts 1994 aus Berufsschullehrern sowie Wirtschaftsvertretern und Vertretern der Ostfriesischen Landschaft gebildete Arbeitsgruppe „Plattdeutsch im Berufsleben“ führte Anfang 1995 an den berufsbildenden Schulen in Aurich und Leer eine Befragung von 495 BerufsschülerInnen des letzten Lehrjahres durch, in der die berufliche Sprachrealität sowie die Einstellungen der Azubis zur Funktion der Regionalsprache im Berufsleben ermittelt werden sollten. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Umfrage werden in den folgenden drei Abschnitten zusammengefaßt.

Im ersten Abschnitt werden die Befragten nach statistischen Verteilungsmerkmalen, Sprachkenntnissen und Einstellungen vorgestellt. Auf den ersten Blick überraschend ist das hohe Potential von passiven und aktiven Sprachkenntnissen. Dieses Ergebnis wird jedoch durch die weiter unten vorgestellte Umfrage des RPZ bei den allgemeinbildenden Schulen gestützt. Auch das vergleichsweise positive Image der Regionalsprache bei den befragten Azubis ist nahezu deckungsgleich mit entsprechenden Befragungsergebnissen an allgemeinbildenden Schulen. Die heutige Schülergeneration hat die früher übliche Diskriminierung des Plattdeutschen nicht mehr verinnerlicht.

Der zweite Abschnitt faßt einige Daten zur Sprachsituation in den Lehrbetrieben zusammen. Das Ergebnis dieser Daten ist eindeutig: Plattdeutsch ist in den untersuchten Berufsgruppen generell nach wie vor eine dem Hochdeutschen gleichberechtigte Sprache innerbetrieblicher Kommunikation. Wichtige Differenzierungen ergeben sich jedoch in der Feinanalyse der Daten. Der „Nachfrage“ nach plattdeutscher Kommunikation durch die Kundschaft stehen in handwerklichen Berufen nach wie vor genügend Plattsprecher unter den Betriebsangehörigen gegenüber. In den Büroberufen zeichnet sich hier ein Mangel ab: das Plattdeutsche ist unter den ArbeitskollegInnen auf dem Rückzug, wird aber von der Kundschaft bzw. dem „Publikum“ nach wie vor gefordert. Es lag nahe, in dieser Gruppe genauer  nachzuschauen: die größte Diskrepanz zwischen anhaltender Kundennachfrage nach Plattdeutsch und betrieblicher Sprachrealität ist bei den Bank- und Sparkassenkaufleuten zu verzeichnen!

Der dritte Abschnitt macht noch einmal deutlich, daß dem Faktor Zweisprachigkeit bisher weder in den Betrieben noch in der Berufsschule Aufmerksamkeit geschenkt wird. Insofern hat der Arbeitskreis ein weithin unbekanntes Terrain betreten. Die Umfrage zeigt die wachsende betriebliche Bedeutung dieses Themas. Der Verklärung des Plattdeutschen als einer „bodenständigen“ Rückzugssprache kann somit analytisch nüchtern die regionale Sprachrealität und ihre betriebliche Dienstleistungsfunktion entgegengehalten werden. Ein überregionaler Vergleich unserer Ergebnisse mit den Ergebnissen der oben erwähnten GETAS-Umfrage konnte leider nicht durchgeführt werden, weil die entsprechenden Daten in der veröffentlichten Kurzfassung nicht thematisiert werden.

1.2.1. Ausgewählte Merkmale/Einstellungen der Befragten

(......)

1.2.2. Sprachsituation in den Lehrbetrieben

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Plattdeutsch ist in den untersuchten Berufsgruppen nach wie vor eine dem Hochdeutschen gleichberechtigte Sprache innerbetrieblicher Kommunikation. Die Intensität des alltäglichen Gebrauchs des Plattdeutschen variiert jedoch: „Hochburgen“ des Plattdeutschen sind, wie zu erwarten war, handwerkliche Betriebe auf dem Land. Anders, als zunächst vermutet, behauptet sich das Plattdeutsche jedoch auch in städtischen Büros. Ein ausschließlich hochdeutsches Sprachmilieu kennzeichnet nur eine vergleichsweise kleine Minderheit von Betrieben.

(.....)
Auch hier wird wieder deutlich, daß Betriebe, die ihre Kundschaft nur in der Hochsprache bedienen, generell in der Minderheit sind. Erwartungsgemäß sind ländliche Betriebe zu über 90 Prozent auf eine plattdeutsch sprechende Kundschaft eingestellt. Aber auch städtische und stadtnahe Betriebe sind zu mehr als 80 Prozent bereit, Außenkontakte in der Regionalsprache zu pflegen. Vergleicht man die innerbetriebliche Kommunikation mit den Außenkontakten unter diesem Gesichtspunkt, so fällt auf, daß handwerkliche Berufe nach wie vor genügend Plattsprecher haben, um auf entsprechende Kundenwünsche einzugehen. In den Büroberufen zeichnet sich hier ein Mangel ab: das Plattdeutsche ist unter den ArbeitskollegInnen auf dem Rückzug, wird aber von der Kundschaft bzw. dem „Publikum“ nach wie vor gefordert.

Schaut man hinter die Kulissen unserer groben Einteilung nach Berufsgruppen, lassen sich in der Gruppe der „Büroberufe“ noch wichtige Differenzierungen vornehmen. Von den 68 Bankkaufleuten, die die Frage nach der bevorzugten Sprache unter KollegInnen beantworteten, gaben lediglich 16 an, daß in Ihrem Betrieb oft Plattdeutsch gesprochen wird. Dagegen steht, daß in dieser Gruppe immerhin 40 Azubis (von 69) angaben, daß mit Kunden ihrer Sparkasse/Bank oft in der Regionalsprache verkehrt wird. Hier hat sich die innerbetriebliche Sprachrealität schon stark von der Außenwelt abgekoppelt! Was dies für die Außenwirkung der Banken und Sparkassen bedeuten kann, sollte grundsätzlich diskutiert werden. Die „regionalsprachliche Kundenfreundlichkeit“ liegt bei Banken und Sparkassen in etwa auf dem Niveau von Rechtsanwaltskanzleien, in denen innerbetrieblich ebenfalls nur selten Plattdeutsch gesprochen wird. In diesen Kanzleien haben plattdeutsche Mandanten aber offenkundig auch schon die Hoffnung aufgegeben, in ihrer Muttersprache bedient zu werden: Von 41 KanzleigehilfInnen berichten lediglich 6, daß mit Mandanten oft Platt gesprochen wird. In allen anderen Büroberufen ist sowohl innerbetrieblich als auch im Außenkontakt das Plattdeutsche zumindest gleichberechtigt vertreten.

Tabelle: Funktionsbewertung des Plattdeutschen im Vergleich zum Hochdeutschen für berufliche Außenkontakte

(......)

Zunächst fällt auf, daß die befragten Azubis zu einem hohen Prozentsatz bezweifeln, daß es sinnvoll ist, auf die Sprachwünsche ihrer Kundschaft einzugehen: Während 73,5 % der Befragten bei ihren KundInnen vermuten, diese würden lieber in Plattdeutsch kommunizieren, sind zugleich 60,1 % davon überzeugt, daß es - zumindest wenn es „um die Sache“ geht - sinnvoller sei, mit den KundInnen hochdeutsch zu sprechen. Die Erklärung hierfür ist nicht einfach und etwas spekulativ: Die Azubis fühlen sich z. T. unsicher in der Übertragung ihrer hochdeutschen Ausbildungsinhalte ins Plattdeutsche; z. T. distanzieren sie sich von Plattdeutsch als „Berufssprache“ und möchten Platt auf seine Funktion als zwischenmenschliches Kontaktinstrument beschränkt sehen. Diese Interpretation gewinnt eine gewisse Plausibilität dadurch, daß die in ländlichen Betrieben ausgebildeten Azubis eindeutig diejenige Gruppe bilden, in der aktive Plattdeutsch-Kenntnisse besonders stark vertreten sind (vgl. oben 1.2.1.), hier aber zugleich die größte Skepsis gegenüber Platt als „Berufssprache“ anzutreffen ist. Dort, wo mit KundInnen dagegen vergleichsweise wenig Platt gesprochen wird (vgl. oben 1.2.2.), wird der Kundenwunsch nach plattdeutscher Kommunikation ebenso hoch (oder sogar höher) eingeschätzt wie auf dem Land, zugleich ist dort aber die Skepsis gegenüber der sachlichen Verständigungsfunktion des Plattdeutschen geringer, weil die faktisch vorhandenen Sprachunsicherheiten hier seltener auf die Probe gestellt werden.

 

1.2.3. Schule und Betrieb: Indifferenz gegenüber dem Plattdeutschen

(......)
Deutlich wird, daß sich Plattdeutsch in der schulischen Berufsbildung nicht behaupten kann. Insofern nimmt der betriebliche Arbeitsplatz eine Schlüsselrolle ein, wenn es um die Verteidigung der Regionalsprache als „öffentlicher Sprache“ geht, während Plattdeutschsprecher von der Berufsschule eher entmutigt werden, ihre Muttersprache darüberhinaus auch als „Berufssprache“ einzusetzen.

Angesichts der wichtigen Funktion der Regionalsprache in der betrieblichen Wirklichkeit - nicht nur innerbetrieblich, sondern gerade auch im Außenkontakt - ist es umso verwunderlicher, daß die Betriebe selbst die regionaltypische Zweisprachigkeit noch nicht gezielt als (Zusatz-)Qualifikation ihrer Azubis entdeckt haben. Dieser Zustand wird sich in dem Maße ändern, in dem sich die Kluft zwischen Kundennachfrage und im Betrieb vorhandener Sprachkompetenz weiter vergrößert. Dies ist, wie gezeigt wurde, im Banken- und Sparkassensektor schon heute ein offenkundiges Problem.

 

2.    Zum bisherigen Stellenwert des Niederdeutschen in der Schule

Klarer könnte man schlechterdings nicht demonstrieren, daß Bildungspolitik und -verwaltung die eigenen Anordnungen nicht sonderlich ernst nehmen, daß die nicht viel mehr als Alibifunktion haben, auch gar nicht haben sollen. Erlasse und Richtlinien sollten wohl die Freunde des Niederdeutschen ruhigstellen, auf deren Drängen hin sie entstanden sind; daß die Lehrer sie befolgen würden, womöglich in größerer Zahl, hat offenbar niemand recht geglaubt. Folgerichtig hat auch niemand die mindesten Vorkehrungen für eine praktische Auswirkung getroffen: Die Voraussetzungen, Lehrer in der Ausbildung auf eine auch nur beiläufige Behandlung des Niederdeutschen vorzubereiten, sind nie geschaffen worden, nicht im Formal-Rechtlichen, nicht im Personell-Materiellen und nicht im Inhaltlichen. Und hätte nicht die einerseits kleine, andererseits aber doch wieder nicht so kleine Schar von Pädagogen mit liebhaberischem Interesse am Niederdeutschen von sich aus für das Zustandekommen erster Lern- und Lesematerialien gesorgt, hätte sie nicht in freiwilligem Zusammenschluß hier und dort organisierte Fortbildung betrieben - das Niederdeutsche, muß man fürchten, wäre gänzlich aus der Schule verbannt worden.“1)

Diese enttäuschte, emotional gefärbte Einschätzung der bildungspolitischen Ernsthaftigkeit und Wirksamkeit der einschlägigen kultusministeriellen Erlasse und Rahmenrichtlinien-Bestimmungen, die Claus Schuppenhauer, INS Bremen, im Oktober 1990 auf dem Kongreß „Niederdeutsch morgen. Perspektiven in Europa“ (Lüneburg, 19. - 21.10.1990) vortrug, enthält generalisierende Aussagen, für die der Autor sich auf langjährige Erfahrungen berufen kann - Erfahrungen insbesondere mit den Folgen des „schulisch potenzierten Analphabetentums“, denen sich das INS in Form täglicher Anfragen ausgesetzt sieht.

Richtig ist, daß der niedersächsische Erlaß „Plattdeutsch in der Schule“ (SVBl. 9/87, S. 235 f) im wesentlichen auf eine Initiative der Ostfriesischen und der Oldenburgischen Landschaft zurückgeht. Gleiches gilt für die Einbeziehung des Niederdeutschen und Friesischen in die Bestimmungen zum Bildungsauftrag der Schule (§ 2) durch das neue Niedersächsische Schulgesetz von 1993. Richtig ist auch, daß es bis heute an flankierenden Maßnahmen zur Erhöhung der Wirksamkeit dieser Bestimmungen mangelt. Wenig zielführend ist es allerdings, wenn der Bildungsverwaltung die stillschweigende Billigung der relativen Wirkungslosigkeit aller „amtlichen“ Bemühungen um eine schulische Aufwertung des Niederdeutschen unterstellt wird. Diese Ursachenzuschreibung ist zu einfach konstruiert.

Bildungsziele und Bildungsinhalte sind heute das Ergebnis komplexer gesellschaftlicher Diskussions- und Aushandelungsprozesse; sie sind kaum mehr traditional zu legitimieren und auch nur begrenzt durch politische Steuerung oder Verwaltungsvorgaben durchzusetzen, wenn sie sich zu sehr vom „Zeitgeist“ entfernen. Auf diese Problematik kann hier nur hingewiesen werden (vgl. Kap. 1). Jeder, der mit Bildungsverwaltung und Schulaufsicht zu tun hat, kann jedoch schon auf einer weniger abstrakten Diskussionsebene bestätigen, daß neue Schulgesetze, Erlasse und Rahmenrichtlinien in der täglichen Unterrichtspraxis nur dann nachhaltige Wirkungen erzielen, wenn die

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1) Claus Schuppenhauer: Wer will was vom Niederdeutschen wissen - und wie kann da geholfen werden? In: R. Speckmann (Hrsg.): Niederdeutsch morgen. Perspektiven in Europa. Leer: Schuster, 1994, S. 164


bildungspolitisch gewollten Veränderungen nicht nur formal befolgt werden, sondern auch zum Bestandteil von Motivationen, Hintergrundüberzeugungen und Wissen der Lehrerschaft geworden sind. Wenn „offenbar niemand recht geglaubt“ (hat), „daß die Lehrer sie (gemeint: Erlasse und Richtlinien) befolgen würden, womöglich in größerer Zahl“ (a. a. O.), dann verweist dieser unterstellte „Glaube“ auf eine vielschichtige Problematik, die hier Schritt für Schritt noch einmal in ihren wichtigsten Aspekten zu untersuchen ist.


2.1. Die Wahrnehmung amtlicher Vorgaben zur Plattdeutschförderung in der Schule durch die Lehrerschaft

In der von uns durchgeführten Befragung einer systematischen Auswahl der ostfriesischen Lehrerschaft (angeschrieben: 287, Rücklauf 127 = 44,3 %, vgl. Einleitung) wurde die Wahrnehmung der bestehenden amtlichen Vorgaben zur Plattdeutsch-Förderung in der Schule durch die Vorgabe von sechs „Stellungnahmen“ der Befragten auf eine fiktive „Meinungsäußerung“ einer „Kollegin“ erfragt. Diese „Meinungsäußerung“ lautete: „Wenn ich Plattdeutsch zum Unterrichtsgegenstand mache, kann ich mich auf amtliche Vorgaben berufen!“

Fast die Hälfte der Nennungen (42 %) entfiel auf die drei Antwortvorgaben, die auf eine Ignorierung bestehender amtlicher Vorgaben zur Plattdeutschförderung hinweisen. Im einzelnen behaupteten 14 von 127 Befragten, daß die „Meinungsäußerung“ der Kollegin unzutreffend sei, da „sie (...) sich allenfalls auf schulische Konferenzbeschlüsse oder Absprachen stützen“ könne. 10 Befragte entschieden sich für die Vorgabe: „Nein, dies bleibt in der Regel ihre individuelle Entscheidung“. 47 Befragte (= 37 %) räumten ein, sie hätten „hierzu keine Meinung/Informationen“.

Die drei zutreffenden Antwortvorgaben erhielten insgesamt 98 von 169 Nennungen. Die bei diesem Befragungsteil möglichen Mehrfachnennungen konzentrieren sich hier (insgesamt 169 Nennungen bei 126 Befragten, die auf Frage 17 antworteten). Die Häufigkeitsverteilung dieser Nennungen ist keine Überraschung: Lediglich 15 von 126 Befragten (= 12 %) wissen anscheinend, daß das Niedersächsische Schulgesetz von 1993 eine Plattdeutschförderung explizit fordert (damit ist nicht gesagt, daß sie die entsprechende Passage kennen).

Immerhin 34 (= 27 %) der Befragten entschieden sich für die Antwortvorgabe „Ja, sie kann sich auf Rahmenrichtlinien berufen“. Noch mehr Nennungen erhielt die Vorgabe „Ja, sie kann sich auf einen einschlägigen Erlaß berufen“: hier vermuteten 49 (= 39 %) Befragte eine Vorgabe.

Die Wahrnehmung amtlicher Vorgaben ist durch die Positionshierarchie der Schule gefiltert: Schulleiter/innen bzw. deren Stellvertreter/innen sowie Fachgruppen- bzw. Fachkonferenzleiter/innen (o. ä.) kreuzten seltener (28 % und 30 % dieser Gruppen) die Antwortvorgabe „Habe hierzu keine Meinung/Informationen“ an als Lehrerinnen und Lehrer in untergeordneten Positionen (43 % und 47 %; Kreuztabellierung Frage 6 mit Frage 17, letzte Antwortvorgabe). Umgekehrt entfallen von den 98 zutreffenden Antworten 58 (= 59 %) Nennungen auf Schulleiter/innen bzw. deren Stellvertreter/innen sowie auf Fachgruppenkonferenzleiter/innen. Erlasse werden dabei offenkundig vorzugsweise von Schulleiter/innen und deren Stellvertreter/innen wahrgenommen (bzw. nachgeschlagen).

(.......)

Bedenkt man, daß das „Klima“ für eine selbstverständliche Einbeziehung des Niederdeutschen in den Unterrichtsalltag wesentlich auch durch die schulischen und fachlichen Repräsentanten geprägt wird, so beleuchten diese Ergebnisse wohl in hinreichender Deutlichkeit den minoritären Status regionalsprachlich sensibilisierter Lehrer/innen.

Die vergleichsweise niedrigen Fallzahlen unserer Umfrage machen weitere Differenzierungen der referierten Ergebnisse nur unter Vorbehalt und in vorsichtiger Interpretation möglich. Demnach scheint sich die Ignorierung amtlicher Vorgaben nur unwesentlich nach Schulstufen und -formen zu differenzieren: Die Prozentsätze für die drei unzutreffenden Antwortvorgaben liegen im Bereich der Sek. I und des Gymnasiums etwas höher als bei der Grundschule und der Sonderschule. Deutlichere Differenzierungen ergeben sich bei der fachlichen Orientierung (Frage 5) durch ein entsprechendes Hauptfachstudium: 64 % der 42 Lehrer/innen mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Studienrichtung entschieden sich für die drei unzutreffenden Antwortvorgaben. Bei den 14 Historikern/Sozialwissenschaftlern waren es dagegen nur 36 %. Von den 20 Lehrer/innen mit musisch-kultureller Studienrichtung waren es 35 %. Auffallenderweise schnellt dieser Anteil bei den 44 Befragten mit einem sprachlichen/germanistischen Hauptfachstudium wieder auf 64 % hoch. Die Vermutung, daß dieser hohe Anteil v. a. auf die Fremdsprachler zurückgeht, kann nicht bestätigt werden, da sich die entsprechenden Prozentsätze bei einer Auswertung nach aktuellen Unterrichtsfächern (Frage 4) nur unwesentlich unterscheiden. Immerhin liegen die 92 Lehrer/innen, die Deutsch unterrichten, mit 29 Hinweisen auf die Rahmenrichtlinien in der Spitzengruppe der hier vorliegenden Nennungen, während die 78 Sachunterricht/WUK/ Erdkunde-Lehrer/innen hier nur 17 Nennungen verzeichnen. Der absolute Spitzenreiter bei den unzutreffenden Nennungen sind mit 18 Ankreuzungen die 24 Erdkunde-Lehrer/innen.


2.2. Plattdeutsch im Unterricht

Wenig verwunderlich sind nach den bisherigen Ergebnissen auch die Antworten auf Frage 13 des Fragebogens: „Beziehen Sie Plattdeutsch in Ihren Unterricht ein?
(.....)
Auf die Zusatzfrage, ob Plattdeutsch dabei als Unterrichtsthema bzw. als Verständigungsmittel einbezogen werde, gaben 38 Befragte eine Behandlung als Unterrichtsthema, 41 Befragte eine Verwendung als Verständigungsmittel an (in der Regel Doppelnennungen). Bei 11 % der ostfriesischen Lehrerschaft kann man also davon ausgehen, daß Plattdeutsch „regelmäßig“ oder „häufiger“ im Unterricht auftaucht, sei es als Thema, sei es als (atmosphärisches) Verständigungsmittel.

Fragt man umgekehrt nach den strikten Verweigerern, so reduziert sich der o. a. Anteil von 38,6 % der Lehrerschaft auf 33,3 % (= 42 Nennungen): Dies ist der Anteil der Lehrerinnen und Lehrer, die auch beim „Bau goldener (Antwort-)Brücken“ in Frage 14 („Würden Sie Plattdeutsch gerne (häufiger) in Ihren Unterricht einbeziehen?“) mit einem klaren „Nein“ antworten. Die angebotenen „Ja, aber ...“- Ablehnungen erhielten 95 von 137 Nennungen (11 Mehrfachnennungen). Die strikte Ablehnung einer Einbeziehung des Plattdeutschen in den eigenen Unterricht variiert erwartungsgemäß deutlich mit der fachlichen Orientierung: Die höchste Ablehnungsquote zeigen mit 43 % (6 von 14 Befragten) die Lehrerinnen und Lehrer mit einem historisch-sozialwissenschaftlichen Hauptfachstudium. Es folgen die Mathematiker/Naturwissenschaftler mit 39 % (16 von 41 Befragten), während die sprachlich (45 Befragte) sowie musisch-kulturell (20 Befragte) orientierten Lehrer/innen weniger Rigidität (25 % und 26,7 %) zeigen.

Einen interessanten Einfluß auf die Akzeptanz des Plattdeutschen in der Schule scheint die Position der Befragten in der Funktionshierarchie einer Schule zu haben: Nur zwei von 18 Schulleiter/innen bzw. Stellvertreter/inne/n antworteten auf Frage 14 mit einem deutlichen Nein. Bei den Fach(gruppen)konferenzleiter/inne/n waren es bereits 16 von 45 (=35,6 %), während sich bei den übrigen 68 Mitgliedern der Kollegien 24 (=38,7 %) für dieses Nein entschieden. Bestätigt wird diese Tendenz durch die Antworten auf die vergleichsweise unverbindliche Frage 18, in der die Befragten ihre „persönliche Meinung“ zu fünf Varianten einer möglichen Auf- oder Abwertung des Plattdeutschen in der Schule äußern konnten. 15 von 18 (= 83,3 %) Schulleiter/inne/n bzw. Stellvertreter/inne/n und 28 von 44 (= 63,6%) Fachkonferenzleiter/inne/n entschieden sich für die Vorgabe: „Plattdeutsch sollte in den dafür geeigneten Fächern (stärker) zum Unterrichtsgegenstand werden.“ Unter den übrigen Mitgliedern der Kollegien optierte nur eine Minderheit von 43,5 % (27 von 62) für diese Variante.

Dieses Ergebnis korrespondiert mit dem obigen Befund zur Wahrnehmung amtlicher Vorgaben (vgl. 2.1.): Je höher die individuelle Position in der Funktionshierarchie ist, desto stärker nähern sich die Befragten in ihren Meinungsäußerungen den offiziellen Vorgaben - hier gegeben durch Erlaß und z. T. durch Rahmenrichtlinien. Ob hierfür noch andere Faktoren eine Rolle spielen, soll zunächst offen bleiben.

Daß die Akzeptanz von Plattdeutsch im Unterricht auch ein altersgruppenspezifisches Problem ist, ist aus schulischen Erfahrungen bekannt und wird auch durch unsere Umfrage bestätigt:

Nur 25 % der Altersgruppe über 50 Jahre (12 von 48 Befragten) gaben auf die Frage 13 an, daß sie Plattdeutsch „überhaupt nicht“ in den Unterricht einbeziehen. In der Altersgruppe der 41 bis 50jährigen stieg dieser Anteil auf 45 % (29 von 64 Befragten) und bei den jüngeren Lehrer/innen auf 50 % (7 von 14 Befragten). Das Bild differenziert sich aber, wenn man hieraus über die Frage 14 wieder den harten Kern der strikten „Verweigerer“ (vgl. oben) herausdestilliert.

(.......)

Bei aller gebotenen Vorsicht vor einer Überinterpretation der Verteilungen in kleinen Fallgruppen korrespondiert dieser Befund gleichwohl mit schulischen Erfahrungen und weiteren Ergebnissen der Befragung: Je jünger die Lehrerinnen und Lehrer sind, desto unzufriedener sind sie mit den gängigen Materialien zum Plattdeutschunterricht (Frage 14; das Fehlen „geeigneter Materialien“ beklagen nur 3 von 48 (6,3 %) Befragten der über 50jährigen, aber 20,6 % bzw. 28,6 % der jüngeren Altersgruppen). Ebenso: Je jünger die Lehrerinnen und Lehrer sind, desto aufgeschlossener stehen sie der Einrichtung eines „eigenständigen Faches Plattdeutsch“ gegenüber (Frage 18; 20,1 %, 30,6 %, 35,7 %), während sich v. a. die über 50jährigen in aller Bescheidenheit auf die Minimallösung der Arbeitsgemeinschaften konzentrieren (bis 40 Jahre: 28,6 %, bis 50 Jahre: 35,5 %, über 50 Jahre: 45,9 %).

Hieraus spricht ein Stück Resignation und Sich-Einrichten in einem Minoritätenbewußtsein, das uns in gleicher Weise unter den älteren Teilnehmer/inne/n des Pilotprojekts auffiel. Diese Altersgruppe hatte ihr Studium in der Regel bereits Anfang der 70er Jahre abgeschlossen. Dementsprechend hat sie sich nur noch selten Gedanken machen müssen über die (in ihrer Wirkung z. T. verheerenden) Konsequenzen des Theorems „restringierter (dialektaler) Codes“ (Oevermann, Ammon): In Frage 19 kreuzten bei den über 50jährigen lediglich 17,5 % (7 von 40 Befragten) befürchtete „Nachteile wegen mangelnder Hochdeutschkenntnisse“ an. Bei den 41 - 50jährigen sind es immer noch 31,6 %, während dieser Anteil bei den bis 40jährigen wieder leicht auf 28,6 % sinkt. Bei den älteren Lehrerinnen und Lehrern gewinnt so die Beschäftigung mit dem Plattdeutschen eher eine liebhaberische Färbung, die in einer defensiven Distanz zum Schulalltag verharrt.1)

Das RPZ/KBZ hat schon in einer Veröffentlichung von 1984 („Plattdeutsch-Hochdeutsch. Zweisprachiger Deutschunterricht“, Red.: Mareka Hillerns. Vierte Auflage: 1990) auf die Unzulänglichkeit einer nur heimatpflegerischen Berücksichtigung des Plattdeutschen in der Schule hingewiesen und den damaligen Kenntnisstand der Sprachbarrierendiskussion in ein praxisnahes und nicht-diskriminierendes kontrastives Sprachtraining aufgenommen. Diese Veröffentlichung und die dazu gehörenden Unterrichtsmaterialien - insbesondere die Sprachübungskartei - gelten bis heute unter informierten Lehrer/inne/n als Standardwerk für den regionalspezifischen Deutschunterricht.

Eingesetzt werden die Materialien aber immer noch vor dem Hintergrund kompensatorischer Konzepte, die auf eine möglichst effiziente Weise zur Beherrschung der Standardsprache führen sollen. Die bereits in dieser Veröffentlichung angedeuteten spezifischen Vorteile einer aktiv geförderten Zweisprachigkeit werden höchstens in der jüngeren Lehrer/innengeneration zur Kenntnis genommen, während es den kompensatorischen Konzepten zunehmend an Problemfällen, die gezielter Förderung bedürfen, mangelt.

Allenfalls an Schulen mit einem überwiegend ländlichen Einzugsbereich (Frage 3 unserer Umfrage) finden sich heute noch Schülerinnen und Schüler, die einsprachig niederdeutsch bzw. in einem vorwiegend regionalsprachlichen Milieu aufgewachsen sind. Dementsprechend ist der Prozentsatz von Lehrkräften, die Plattdeutsch „überhaupt nicht“ in ihren Unterricht einbeziehen (Frage 13) an ländlichen Schulen wesentlich niedriger (28,6 % bzw. 18 von 63 Befragten) als an Schulen mit städtischem (45,5 % bzw. 10 von 22 Befragten) oder gemischtem (50 % bzw. 21 von 42 Befragten) Einzugsbereich.

Dieser Befund wird allerdings beeinflußt durch die ungleiche Verteilung der Schulformen auf die drei Kategorien der Frage 3, wobei die Gymnasien mit ihrem weit überwiegenden „gemischten“ Einzugsbereich (14 von 19 Befragten) die Fehlmeldungen für Frage 13 (Plattdeutsch wird „überhaupt nicht“ in den Unterricht einbezogen) in dieser Kategorie hochtreiben.
(.....)

Daß das Niederdeutsche am Gymnasium einen schlechten Stand hat, ist allgemein bekannt und wird durch unsere Umfrage erneut bestätigt.

(......)

_____________________________________
1) Vgl. hierzu den Aufsatz von H. Schüwer: Dialektbedingte Schulschwierigkeiten. In: C. Kremer (Hrsg.): Niederdeutsch in der Schule. Beiträge zur regionalen Zweisprachigkeit. Münster. Westfälischer Heimatbund, 1989, S. 63 - 77; Nachdruck eines Aufsatzes von 1979: „Zunächst einmal müssen die besonderen Probleme der Dialektsprecher von Dialektologie und Sprachdidaktik zur Kenntnis genommen werden. Das geschieht seit etwa 1971/72. Zuvor überwogen sprachkundliche sowie dialekt- und heimatpflegerische Interessen und - in jüngerer Zeit - Beachtung des schichtenspezifischen Sprachgebrauchs.“ (S. 72)


In der Zusammenfassung der hier referierten Ergebnisse zu zwei erklärenden Variablen läßt sich somit festhalten, daß sich in der Tendenz heute nur noch eine kleine Minderheit von Lehrer/inne/n an Grund- und Sek. I-Schulen mit ländlichem Einzugsbereich bzw. Landklassen um eine Einbeziehung des Niederdeutschen in den Unterricht bemüht, wobei dieses Bemühen an Gymnasien auch weiterhin kaum zu erkennen ist.

Daß der Stellenwert des Plattdeutschen im Unterricht sicherlich auch durch die Nähe der Lehrkräfte zur Region beeinflußt wird, soll weiter unten ausführlicher dargestellt werden. Nimmt man die Beantwortung von Frage 8 („Wie lange leben Sie schon in Ostfriesland?“) als Indikator für die Verwurzelung in der Region, so ergeben sich deutliche Abstufungen bei der schulischen Berücksichtigung des Plattdeutschen.

(.......)

Dieser Befund verweist nun auf ein weiteres grundsätzliches Problem einer verstärkten Berücksichtigung des Niederdeutschen in der Schule. Es muß die Frage beantwortet werden, ob in den Schulen, d. h. sowohl bei Lehrerinnen und Lehrern als auch bei Schülerinnen und Schülern, noch ein ausreichendes Sprachpotential für eine vertiefte Einbeziehung des Niederdeutschen in den Unterricht vorhanden ist oder erst aufgebaut werden muß.


3.   Das niederdeutsche Sprachpotential an ostfriesischen Schulen

3.1. Aktive und passive Sprachkenntnisse in der Lehrerschaft

Nimmt man, wie oben zunächst vorgeschlagen, die Beantwortung von Frage 8 („Wie lange leben Sie schon in Ostfriesland?“) als Indikator für die Verwurzelung der Lehrerschaft in der Region, so ist es nicht verwunderlich, daß dieser Faktor unmittelbar auch auf deren Sprachkenntnisse durchschlägt.
(.....)

Interessant an diesem Befund ist vor allem der hohe Anteil der zugezogenen Lehrerinnen und Lehrer mit guten passiven Sprachkenntnissen, der zumindest darauf hinweist, daß das gesellschaftliche Umfeld auch der Lehrerschaft diese Verstehensfähigkeit wachhält. Anders sieht es zunächst aus, wenn nach den aktiven Sprachkenntnissen gefragt wird.
(.....)

Hier wird deutlich, daß die zugezogenen Lehrerinnen und Lehrer sich ihrer aktiven Sprachkompetenz nicht sehr sicher sind. Bemerkenswert ist andererseits aber, daß nur knapp ein Drittel der zugezogenen Lehrerschaft auf aktive Sprachkenntnisse völlig verzichten zu können glaubt.

Aktuelle Vergleichszahlen aus anderen europäischen Sprachregionen liegen dem Verfasser nicht vor, aber die parallelen Diskussionen über den Stellenwert der Regionalsprachen i. S. der Europäischen Charta für Regional- oder Minderheitensprachen im staatlichen Schulwesen deuten darauf hin, daß der in unserer Umfrage ausgewiesene Anteil regionalsprachlich nicht assimilierter Lehrerinnen und Lehrer bei vergleichbaren Rahmenbedingungen (keine verfassungsmäßige Anerkennung als Sprache einer „nationalen Minderheit“ im traditionellen Sinne) eher unterdurchschnittlich ist.

Wenn trotz hoher „einheimischer Standards“ bei der Anerkennung aktiver regionalsprachlicher Kenntnisse über 2/3 der zugezogenen Lehrerschaft in der Selbsteinschätzung über vorhandene, wenngleich bescheidene aktive Sprachkenntnisse berichtet, so liegt hier ein positives Potential, das ausgebaut werden kann. Ob hierfür eine subjektive Bereitschaft vorhanden ist, soll weiter unten diskutiert werden.

 

3.2. Das niederdeutsche Sprachpotential der Schülerinnen und Schüler in der Wahrnehmung der Lehrerschaft

Daß die Wahrnehmung eines sozialen Sachverhalts perspektivengebundenen Schwankungen und Verzerrungen unterliegt, wird schon in dem populären Vergleich zwischen einer „halbvollen“ und „halbleeren“ Flasche deutlich. An keiner Stelle unserer Umfrage drängte sich dieser Vergleich spontan so sehr auf wie bei der Auswertung der Antworten auf die Frage 11 („Wie verbreitet sind in Ihrer Schülerschaft Plattdeutsch-Kenntnisse? Bitte kreuzen Sie eine persönliche Schätzzahl an“): Es schien sich zunächst die aus vielen Gesprächen gewonnene Vermutung zu bestätigen, daß die in Ostfriesland aufgewachsenen Lehrerinnen und Lehrer das regionalsprachliche Potential ihrer Schülerschaft pessimistischer einschätzen als ihre zugezogenen Kolleginnen und Kollegen.

(......)

Abweichungen in der scheinbar willkürlichen Streuung der Schätzzahlen über das gesamte Spektrum der angebotenen Auswahlmöglichkeiten zeigen sich bei den Grundschulen und bei den Gymnasien. Die Grundschullehrerinnen und -lehrer konzentrieren ihre Schätzungen im Bereich unter 10 %, während die Gymnasialkolleg/inn/en ihre Nennungen auf die drei höher liegenden Schätzwerte häufen. Bei den zu erwartenden geringen Fallzahlen ist eine multivariate Analyse problematisch. Dennoch kann gesagt werden, daß die Niedrigstschätzungen für den Grundschulbereich nicht von der Herkunft der Lehrerschaft im Sinne des obigen Befundes beeinflußt werden: Von 46 befragten GS-Lehrer/innen sind 18 in der Region aufgewachsen, 28 später zugezogen, so daß hier eigentlich eine Häufung höherer Schätzwerte zu erwarten gewesen wäre.

Der oben festgestellte Zusammenhang zwischen Herkunft der Lehrerschaft und der Einschätzung der aktiven Sprachkenntnisse ihrer Schülerschaft wird dagegen im Gymnasialbereich in der Tendenz bestätigt: Von 19 Befragten sind lediglich fünf in der Region aufgewachsen, so daß die Neigung der zugezogenen Lehrerschaft, das aktive Sprachpotential ihrer Schüler/innen hoch anzusetzen, hier dominiert.

Zu erklären ist dieser scheinbar widersprüchliche Befund wahrscheinlich durch die größere Nähe der Grundschulen zur Lebenswelt ihrer Schüler/innen, die auch die Wahrnehmung regionalsprachlicher Prägungen einschließt. Gestützt wird diese Hypothese durch unsere Befunde zur schulformabhängigen Intensität der Einbeziehung des Plattdeutschen in den Unterricht (vgl. oben Kap. 2.2.), die bei Grundschulen am höchsten, in Gymnasien am geringsten ausfiel.

Wir werden bei der Analyse der Schülerbefragung zu überprüfen haben, ob die unabhängig von der Herkunft der Lehrerschaft vorliegenden Niedrigstschätzungen für die Grundschulen das dort vorhandene Sprachpotential zutreffender beschreiben als für den gymnasialen Bereich.

Eine weitere Variable, die den vorgefundenen Zusammenhang zwischen Herkunft der Lehrerschaft und Einschätzung des aktiven Sprachpotentials der Schülerinnen und Schüler neu erklären könnte, muß ebenfalls an den Ergebnissen der Schülerbefragung überprüft werden. Denkbar wäre, daß die subregionalen Unterschiede in der aktiven Spachbeherrschung zufälligerweise mit der Verteilung der Lehrerschaft nach Herkunft übereinstimmen, so daß nicht die subjektiv gefärbte Wahrnehmung nach Herkunft, sondern z. B. das Stadt-Land-Gefälle den vorliegenden Schätzungen einen objektiven Hintergrund gibt. Indizien hierfür finden sich bereits in der Lehrerumfrage.

Zunächst ist festzustellen, daß die Lehrerschaft nach Herkunft unterschiedlich auf Stadt- und Landschulen verteilt ist:
(......)

Die in der Region aufgewachsene Lehrerschaft ist demnach an Landschulen unter- und an Stadtschulen überrepräsentiert. Parallel dazu variieren auch die Schätzwerte der Lehrerschaft mit dem schulischen Einzugsbereich.

(........)

Die Niedrigstschätzungen für die vermuteten aktiven Sprachkenntnisse der Schülerschaft werden demnach insbesondere von Lehrerinnen und Lehrern an Schulen mit einem städtischen Einzugsbereich vorgenommen. Dies sind zugleich die Schulen, an denen in der Region aufgewachsene Lehrerinnen und Lehrer überrepräsentiert sind.

Die gleiche Parallelität ergibt sich bei einer Aufschlüsselung der Schätzwerte nach den drei Landkreisen und der kreisfreien Stadt Emden: Auffällige Überrepräsentation der in der Region aufgewachsenen Lehrerschaft in Emden und hier zugleich auch die niedrigsten Schätzwerte für die vermutete aktive Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler.

(.......)

Von den 11 Lehrerinnen und Lehrern, die hier für Emden die Niedrigstschätzung wählten, sind 8 in der Region aufgewachsen. Bei allen Vorbehalten gegenüber einer möglichen Überinterpretation der Verteilungen bei kleinen Zellenbesetzungen scheinen die beiden Faktoren „Herkunft der Lehrerschaft“ und regionale „Verteilung der Schulen“ parallel zu den abgegebenen Schätzwerten zu variieren (vgl. auch die Ergebnisse für den Altkreis Aurich).

Die Frage, ob die durch die Umfrage scheinbar zunächst bestätigte Vermutung richtig ist, daß in der Region aufgewachsene Lehrer/innen die Sprachkompetenz ihrer Schülerschaft unterschätzen, kann demnach nur durch Heranziehung der Daten unserer Schülerumfrage beantwortet werden.

 

3.3. Aktive und passive Sprachkenntnisse der Schülerinnen und Schüler in Ostfriesland

3.3.1. Methodische Anmerkungen zur durchgeführten Schülerumfrage

Die im Rahmen des Pilotprojekts 1994 durchgeführte Befragung von 656 Schülerinnen und Schülern an allgemeinbildenden Schulen Ostfrieslands berücksichtigte in der Quotierung gleichermaßen deren Herkunft nach Landkreisen/Stadt Emden, nach Schulstufen und Schulformen sowie nach Stadt- und Landschulen. Befragt wurden 11 vierte Grundschulklassen, 9 sechste Orientierungsstufenklassen, 8 Schulklassen von Haupt- und Realschulen der Klassenstufe 8 sowie 5 Gymnasialklassen der Klassenstufe 10. Die Verteilung nach den angegebenen Quotierungsmerkmalen ist der Aufstellung im Anhang zu entnehmen.

Das niederdeutsche Sprachpotential der Schülerinnen und Schüler wurde zum einen - wie bisher üblich - durch Fragen zur Selbsteinschätzung der aktiven und passiven Sprachkompetenz sowie zur Lese- und Schreibfähigkeit erfaßt, zum anderen aber auch durch einen schriftlichen Sprachtest zur aktiven und passiven Sprachbeherrschung. Eine Reihe von Fragen diente darüber hinaus der Erfassung des regionalsprachlichen Milieus, der alltäglichen Sprachperformanz sowie der Einstellungen zum Plattdeutschen.

Kurz angemerkt werden sollen die Schwierigkeiten, die sich bei der Entwicklung des Sprachtests ergaben. Das Entwicklungsverfahren war zunächst induktiv und experimentell, im Erprobungsstadium dann aber zunehmend durch den Rückgriff auf sprachwissenschaftliche Literatur angereichert. Weder für die Standardsprache noch für die Regionalsprache (oder - mit Weisgerber - besser: die „Herkunftssprache“ der Schüler) gibt es hinreichend abgesicherte Testverfahren, die auf die Sprachentwicklung der Schulkinder unterschiedlichen Alters hin standardisiert sind.1) Der naheliegende Ausweg, die vorhandene niederdeutsche Sprachkompetenz nur lexikalisch zu erfassen, wurde von der Arbeitsgruppe des Pilotprojekts allerdings schnell fallengelassen. In den Tests bestätigte sich Wygotskis alte These, daß „der Begriff immer nur innerhalb der allgemeinen Struktur des Urteils, als ein untrennbarer Teil davon, existiert“2): „Vokabeln“, isoliert abgefragt, wurden von den Schulkindern erst mit zunehmendem Alter genauso zuverlässig und sicher verstanden wie schon in der Grundschule die daraus gebildeten Kurzsätze oder Wortgruppen. Andererseits: Komplexere syntaktische Fügungen, wie sie in der verdienstvollen „Umfrage zum Stand des Plattdeutschen im Kreis Emsland“3) den Schülerinnen und Schülern aller 4. Grundschulklassen per Tonband vorgespielt und dann von diesen auf einem Formblatt schriftlich in das Hochdeutsche zu übersetzen waren, führten schon bei dieser Umfrage zu Bewertungsproblemen der Übersetzungsleistung. Nach vielen Erprobungen einigte sich die Arbeitsgruppe schließlich auf den im Anhang abgedruckten Test der aktiven und passiven Sprachkenntnisse.

Dieser differenziert im Umfang zwischen GS- und OS-Schülerinnen und Schülern einerseits sowie den höheren Altersgruppen andererseits. Die zu übersetzenden Wortgruppen und Kurzsätze verringern das Problem, daß die individuelle Schreibleistung die Bewertung der Übersetzungsleistung überlagert. Die Auswertung ist standardisiert, so daß Bewertungsdifferenzen unwahrscheinlich sind.

Als Maßstab für die Auswahl der Wortgruppen und Kurzsätze wurde die aktive Sprachleistung der im Urteil der Lehrerinnen und Lehrer „guten“ Plattdeutsch-Sprecher genommen. Hierbei war der Arbeitsgruppe bewußt, daß der sprachliche Entwicklungsstand eines Kindes - hier der Stand der niederdeutschen Sprachkenntnisse - nur höchst unvollständig durch die aktive Sprachbeherrschung fixiert werden kann.4)

_______________________________________
1) Vgl. u. a. B. Weisgeber: Theorie der Sprachdidaktik. Heidelberg 1974, S. 119 ff. D. E. Zimmer: So kommt der Mensch zur Sprache. Über Spracherwerb, Sprachentstehung, Sprache und Denken. Zürich 1986, S. 47 ff. J. Lyons: Die Sprache. München 19872, S. 227 ff.
2) Lew S. Wygotski: Denken und Sprechen. Frankfurt/M. 1969, S. 163 (zuerst 1934).
3) Bernd Robben, Eva Robben: Plattdeutsch im Landkreis Emsland. Eine kombinierte Schüler- und Elternbefragung, unterstützt vom Schulaufsichtsamt Emsland und dem Landkreis Emsland. Maschinenschriftl. Manuskript, Lingen-Bramsche 1991.
4) „Der sprachliche Entwicklungsstand eines Kindes kann nicht nur an seinen sprachlichen Äußerungen abgelesen werden. Gleichrangiger Bestandteil der Sprachentwicklung sind die rezeptiven Sprachleistungen. Was ein Kind an lexikalischen und syntaktischen Sprachmitteln verstehend aufnimmt, ist für seine Sprachentwicklung in gleicher Weise bedeutsam wie das, was es selbst produziert. Für die Sprachförderung ist die Analyse der Verstehensfähigkeit
sogar wichtiger als die Analyse des Sprachgebrauchs. Produktion von Sprache setzt beim Kind die vorherige rezeptive Verarbeitung der Sprachmittel voraus.“ (B. Weisgerber: Theorie der Sprachdidaktik, Heidelberg 1974, S. 121).

 

Die vier Abstufungen im erreichbaren, nach Altersstufen unterschiedlichen Punktekontinuum der beiden aktiven Sprachtests lassen sich typologisierend wie folgt beschreiben:

Gruppe 1 (niedrigste Punktzahlen)
Niederdeutsche Wortgruppen oder Kurzsätze sind unbekannt oder werden durch eher zufälligen Gebrauch typischer Lautverschiebungen (z. B.: p, t, k, ei, au etc.) aus dem Hochdeutschen, ab Orientierungsstufe auch aus dem Englischen, zu rekonstruieren versucht.

Gruppe 2 (nächsthöhere Punktzahlen)
Niederdeutsche Wortgruppen oder Kurzsätze werden durch intuitiv richtigen Gebrauch des niederdeutschen Konsonantismus und Vokalismus aus dem Hochdeutschen rekonstruiert. Lexikalische Grundkenntnisse bauen überwiegend auf dem Hochdeutschen auf. Interferenzen mit Englisch (ab OS). Allenfalls rudimentäre grammatikalische Kenntnisse (Konjugation, Deklination).

Gruppe 3 (nächsthöhere Punktzahlen)
Niederdeutsche Wortgruppen oder Kurzsätze werden auf der Grundlage eigenständiger lexikalischer, semantischer und grammatikalischer Sprachkenntnisse gebildet. Im Zweifelsfall wird aber eine Anlehnung an das Hochdeutsche bevorzugt („Ik hebb Angst“ statt „Ik bün bang“).

Gruppe 4 (höchste Punktzahlen)
Niederdeutsche Wortgruppen oder Kurzsätze werden auf der Grundlage eigenständiger lexikalischer, semantischer und grammatikalischer Sprachkenntnisse ohne Rückgriff auf das Hochdeutsche gebildet („Vader geiht up Böskupp“ statt „Vader geiht inkopen“; „Ik bün bang“ statt „Ik hebb Angst“; „Rietstick“ statt „Striekholt“; „Koom bi mi!“ statt „Koom to mi!“ etc.).

Wie noch zu zeigen sein wird, bestätigte sich auch in dieser Umfrage, daß die bei den Schülerinnen und Schülern festzustellenden passiven Sprachkenntnisse wesentlich umfassender sind als die aktive Sprachbeherrschung. Dieser Sachverhalt stützt die zitierte These B. Weisgerbers, daß die „Produktion von Sprache ... beim Kind die vorherige rezeptive Verarbeitung der Sprachmittel voraus(setzt)“ (vgl. Anmerkung oben). Daß sich die Ausbildung aktiver niederdeutscher Sprachkenntnisse immer stärker auf das Jugendalter verschiebt, deutet demnach zunächst nur auf eine Zurückdrängung des Niederdeutschen als erster Muttersprache, aber noch nicht als lebendiger Regionalsprache hin.

 

3.3.2. Aktive Sprachkenntnisse der Schülerinnen und Schüler: Selbsteinschätzung und Testergebnisse

Auf die Frage „Kannst Du selbst Plattdeutsch sprechen?“ erhielten wir von den Schülerinnen und Schülern die folgenden Antworten:

(......)

Die auffällig positiven Selbsteinschätzungen der Jungen im Vergleich zu der zurückhaltenderen Selbsteinschätzung der Mädchen relativierte sich schnell bei der Auswertung der Testergebnisse zu den aktiven Sprachkenntnissen:

(.......)

In der Gruppe 4, der Gruppe mit den besten Sprachkenntnissen, finden sich erwartungsgemäß mehr Mädchen als Jungen.

Die vordergründig erstaunliche Übereinstimmung der Tabelle zur Selbsteinschätzung mit den (in der Kategorie „ein wenig“ durch zwei Gruppierungen ausdifferenzierten) Ergebnissen des aktiven Sprachtests darf wegen wahrscheinlicher Streuungen nicht überinterpretiert werden. Sie deutet aber innerhalb der Streubreite der erwarteten Korrespondenz von Selbsteinschätzungen und Testergebnissen auf eine hohe Validität des von der Arbeitsgruppe entwickelten Sprachtests hin. Dieser wurde, wie schon erwähnt, von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe auf in der Leistungsspitze „gute“ Plattdeutschsprecher hin standardisiert, wobei die sprachliche Leistung von Mädchen auch im Plattdeutschen höher angesiedelt ist als die der Jungen, während sich die Selbsteinschätzung typischerweise dazu invers verhält.

Eine differenziertere Beurteilung der Validität des von uns entwickelten Tests wird durch den direkten Vergleich der Testergebnisse mit den Ergebnissen der Selbsteinschätzung ihrer niederdeutschen Sprachkenntnisse durch die Schülerinnen und Schüler ermöglicht:

(.......)

Unter Vernachlässigung der geschlechtsspezifischen Differenzierungen soll nun den in Abschnitt 3.2. aufgeworfenen Fragen nach der Abhängigkeit der festgestellten Sprachkenntnisse von der Schulform, dem Stadt-Land-Gefälle sowie den subregionalen Unterschieden zwischen den ostfriesischen Landkreisen nachgegangen werden.

 

3.3.3. Aktive Sprachkenntnisse der Schülerinnen und Schüler: Testergebnisse und Schätzwerte der Lehrer/innen mit einem Exkurs zur Sprachentwicklung bei Grundschülerinnen und -schülern

Im Lehrerfragebogen wurde um die Angabe einer „persönlichen Schätzzahl“ für die vermutete Verbreitung aktiver Plattdeutsch-Kenntnisse in der Schülerschaft des/r jeweiligen Lehrers/in gebeten, wobei die „aktiven Plattdeutsch-Kenntnisse“ definiert wurden als „auf plattdeutsch ein einfaches Gespräch führen können“. Diese Definition ist „weicher“ als die Beschreibung „guter“ Plattdeutsch-Kenntnisse in der Kategorie der Spitzengruppe 4 des Sprachtests und schließt somit zweifellos auch Schülerinnen und Schüler aus der Gruppe 3 ein.

Auffälligstes Ergebnis der Auswertung nach Schulform war, daß die Grundschullehrer/innen ihre Schätzungen zu den aktiven Sprachkenntnissen ihrer Schüler und Schülerinnen zu fast 80 % bei den beiden Niedrigstwerten ansiedelten (unter 5 % bzw. unter 10 % der Schülerschaft besitzen demnach aktive Sprachkenntnisse im Sinne der obigen Definition).

Ein Auswertung der Testergebnisse zu den aktiven Sprachkenntnissen ergibt folgendes Bild:
(.......)
In der Tendenz, wenngleich auch nicht im Ausmaß, bestätigen die Testergebnisse die Niedrigstschätzungen der Grundschullehrerinnen und -lehrer für ihre Schülerschaft: Zum einen kann man davon ausgehen, daß die getesteten 4. Klassen innerhalb der Grundschule, auf die die Schätzungen ja insgesamt bezogen waren, bessere aktive Sprachkenntnisse aufweisen als die Klassen 1 - 3, zum anderen unterschätzen zumindest die 21 (45,7 %) Lehrerinnen und Lehrer, die für die Grundschule den Niedrigstwert „unter 5 %“ gewählt haben, sicherlich die schon vorhandenen Sprachkenntnisse, da, wie oben angemerkt, auch ein Teil der Gruppe 3 zu den Schülerinnen und Schülern zu zählen ist, die „auf plattdeutsch ein einfaches Gespräch führen“ können.

 

Exkurs: Aktive und passive Sprachkenntnisse bei Grundschülerinnen und -schülern

In den methodischen Vorbemerkungen zu unserer Schülerumfrage (vgl. oben Abschnitt 3.3.1.) wurde bereits darauf hingewiesen, daß eine Einschätzung des niederdeutschen Sprachpotentials von Kindern und Heranwachsenden, die sich nur an der aktiven Sprachkompetenz orientiert, zu kurz greift. Weisgerber wurde dort u. a. mit dem Satz zitiert: „Für die Sprachförderung ist die Analyse der Verstehensfähigkeit sogar wichtiger als die Analyse des Sprachgebrauchs.“

Wenn schließlich gilt, „daß Kinder einen großen Teil der grammatischen Struktur ihrer Muttersprache erst im Alter von zehn Jahren oder später wirklich beherrschen können“ (J. Lyons: Die Sprache. München 19872, S. 231), dann ist es nicht überraschend, daß die Ergebnisse unseres aktiven Sprachtests für die Grundschulen eine vergleichsweise geringe niederdeutsche Sprachkompetenz der Neun- bis Zehnjährigen ausweisen. Wahrscheinlich handelt es sich bei den nur 18 Grundschülerinnen und -schülern, die hier in der Gruppe 4 mit der höchsten Bewertung eingeordnet werden konnten, um eine Minderheit von regionalsprachlich aufgewachsenen Kindern, die heute, wie noch zu zeigen sein wird, selten geworden ist.

Als Fazit unserer methodischen Vorbemerkungen in Abschnitt 3.3.1. wurde die folgende Hypothese formuliert:
„Daß sich die Ausbildung aktiver niederdeutscher Sprachkenntnisse immer stärker auf das Jugendalter verschiebt, deutet ... zunächst nur auf eine Zurückdrängung des Niederdeutschen als erster Muttersprache, aber noch nicht als lebendiger Regionalsprache hin.“

Die in diesem Zusammenhang bereits zitierte emsländische Untersuchung von Bernd und Eva Robben identifizierte lediglich noch „3 % der 10jährigen“, die „ein makelloses Plattdeutschgespräch führen können“ (B. Robben, E. Robben: Plattdeutsch im Landkreis Emsland. Lingen - Bramsche 1991, S. 13). Die Autoren folgern aus diesem Befund, „daß das Plattdeutsche mit der heranwachsenden Generation endgültig auszusterben droht.“ (A. a. O., S. 2). Begründet wird diese These sehr pauschal mit dem Satz: „Wenn jedoch das Plattdeutsche nicht in den Kinderjahren vermittelt wird, so sind nach hiesigen Erkenntnissen - die zumindest für das gesamte Emsland gelten - die Chancen für den späteren aktiven Erwerb denkbar schlecht.“ (S. 4)

Diese Beobachtung ist sicherlich richtig, nur wird in der Bewertung faktisch von der heute unrealistischen Norm eines vorwiegend muttersprachlichen Spracherwerbs ausgegangen. Dies zeigt sich deutlich in der verbalen Abwertung der in den Pretests vorgefundenen passiven Sprachkenntnisse:

„Da bei der ersten Vorlaufphase des Schülertests in Emsbüren nur eine Übersetzung vom Plattdeutschen ins Hochdeutsche verlangt worden war und die Arbeitsergebnisse relativ gut ausfielen (ca. 60 % der Kinder konnten den Text gut übersetzen), die 6 Deutschlehrer(innen) jedoch übereinstimmend feststellten, daß höchstens 2 Kinder gut Plattdeutsch sprechen konnten, war endgültig klar, daß dieser Teil des Tests lediglich etwas über die passive Sprachkompetenz aussagen konnte.“ (A. a. O., S. 7)

Die hier gemeldeten, erstaunlich positiven Ergebnisse zu den passiven Sprachkenntnissen deuten darauf hin, daß auch im Emsland das Plattdeutsche noch einen hohen kommunikativen Stellenwert hat. Die beklagten schlechten Ergebnisse zu den aktiven Sprachkenntnissen zehnjähriger Grundschüler (!) erlauben demgegenüber nach sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen aber noch keineswegs den weitreichenden Schluß eines unmittelbar bevorstehenden Aussterbens des Niederdeutschen im Emsland. Sie belegen in der Zusammenschau mit den passiven Sprachkenntnissen von Schulkindern diesen Alters zunächst nur einen verzögerten, nicht mehr muttersprachlich vermittelten Spracherwerb, auf den sich eine gezielte schulische Sprachförderung des Niederdeutschen didaktisch und methodisch einzustellen hat.

Die (zu) weitreichenden Schlußfolgerungen der emsländischen Untersuchung waren für die Arbeitsgruppe des Pilotprojekts ein wichtiger Anstoß, die Schüleruntersuchung auf vier Alters- bzw. Schulstufen auszudehnen. Die Testergebnisse zu den aktiven Sprachkenntnissen nach Schulformen (-stufen) bestätigen die vermutete Zunahme aktiver Sprachkenntnisse mit zunehmendem Alter der Schülerinnen und Schüler, so daß sich die Auswertung der Schülerumfrage auf die Analyse der Milieufaktoren des aktiven Spracherwerbs konzentrieren kann.

Um die Wichtigkeit einer Beachtung auch passiver Sprachkenntnisse gerade im Grundschulalter zu unterstreichen, seien an dieser Stelle jedoch auch die Ergebnisse des passiven Sprachtests nach Schulformen (-stufen) angeführt:

Tabelle: Testergebnisse zu den passiven Sprachkenntnissen nach Schulformen

  Schulform         Gruppe 1        Gruppe 2         Gruppe 3           Gruppe 4      Summe

    4. Kl. GS         9 (4,6 %)        24 (12,1 %)      68 (34,3 %)      97 (49,0 %)    198
    6. Kl. OS         4 (2,1 %)        11 (5,9 %)        58 (31,0 %)     114 (61,0 %)    187
    8. Kl. HS          2 (2,0 %)         6 (6,0 %)        20 (20,0 %)       72 (72,0 %)    100
    8. Kl. RS          0 (0,0 %)       10 (13,3 %)      11 (14,7 %)       54 (72,0 %)      75
  10. Kl. Gym/KGS 2 (2,1 %)      10 (10,4 %)      22 (22,9 %)      62 (64,6 %)      96

Summe               17 (2,6 %)       61 (9,3 %)      179 (27,3 %)    399 (60,8 %)     656

In den folgenden Ausführungen sollen nun wieder die aktiven Sprachkenntnisse näher analysiert werden.

Die in der Lehrerumfrage festgestellte große Streubreite der Schätzzahlen für die aktiven Sprachkenntnisse an den weiterführenden Schulen (Ausnahme: Gymnasium) differenzierte sich erst, als nach den Einzugsgebieten der jeweiligen Schule unterschieden wurde. Hier zeigte sich, daß die Niedrigstschätzungen, die den Anteil der aktiven Plattdeutschsprecher unter der Schülerschaft bei weniger als 5 % ansetzten, vor allem aus Schulen mit einem städtischen Einzugsbereich stammen.

In der Schülerumfrage wurde diese Kategorie dadurch präzisiert, daß die Befragten individuell nach ihrem Wohnort eingeordnet wurden. Für die Schulformen ergibt sich zunächst die folgende Verteilung nach Wohnort:

Tabelle: Aufteilung der Schülerschaft nach Wohnort und Schulform

Schulform                         Stadt    Land     Summe
4. Kl. Grundschule              99         99         198
6. Kl. Orientierungsstufe     83        104        187
8. Kl. Hauptschule                 4         96         100
8. Kl. Realschule                 27         48           75
10. Kl. Gymnasium              27         49           76
10. Kl. KGS (gymnasial)      18          2            20
Summe                               258       398         656

Die ungleiche Verteilung bei den Hauptschul- und KGS (Wittmund)-Klassen resultiert aus der bewußten Auswahl von Land- bzw. Stadtklassen (vgl. die Liste der ausgewählten Schulen im Anhang).

Das in den Lehrerschätzungen stark akzentuierte Stadt-Land-Gefälle in der Verteilung aktiver plattdeutscher Sprachkenntnisse wird, wie die folgende Tabelle zeigt, durch die Testergebnisse in der Tendenz ebenfalls bestätigt:

Tabelle: Testergebnisse zu den aktiven Sprachkenntnissen der Schülerschaft nach Wohnort

Wohnort         Gruppe 1         Gruppe 2         Gruppe 3         Gruppe 4          Summe
Stadt               97 (37,6 %)     63 (24,4 %)      60 (23,3 %)     38 (14,7 %)       258
Land             100 (25,1 %)     71 (17,8 %)     125 (31,4 %)    102 (25,6 %)     398
Summe         197 (30,0 %)     134 (20,4 %)    185 (28,2 %)   140 (21,3 %)      656

Demnach zeigt diese Auswertung sehr deutlich, daß die Niedrigstschätzungen der Lehrerinnen und Lehrer aus Schulen mit einem städtischen Einzugsbereich (63,6 % dieser Gruppe vermuteten bei nur weniger als 5 % ihrer Schülerschaft aktive Plattdeutsch-Kenntnisse) das reale aktive Sprachpotential stark unterbewerten.

Nach Abschluß der Grundschule zeigen die Schülerinnen und Schüler über alle Schulformen und -stufen hinweg einen vergleichsweise hohen, um 20 % streuenden Anteil mit guten aktiven plattdeutschen Sprachkenntnissen auf dem Testniveau der Gruppe 4, erst recht aber im Sinne der für die Lehrerschätzungen vorgegebenen Definition („Ein einfaches Gespräch auf plattdeutsch führen können“), die zusätzlich noch einen Teil der Schülerinnen und Schüler der Gruppe 3 einschließt. Dabei steigt dieser Anteil bei Landklassen auf deutlich über 20 %, während er bei Schülerinnen und Schülern aus städtischen Wohngebieten etwas niedriger liegt. Unabhängig von diesem Befund zeigt sich bei einer Testauswertung nach Landkreisen/Stadt Emden, daß der städtische Einfluß Emdens auch in die dortigen Landschulen hineinreicht:

Tabelle: Testergebnisse zu den aktiven Sprachkenntnissen nach ostfriesischen Landkreisen/Stadt Emden

Kreise                Gruppe 1          Gruppe 2         Gruppe 3          Gruppe 4         Summe
Lkrs. Leer          48 (32,4 %)      29 (19,6 %)      38 (25,7 %)      33 (22,3 %)       148
Altkrs. Aurich     44 (31,0 %)      28 (19,7 %)      38 (26,8 %)      32 (22,5 %)       142
Altkrs. Norden    28 (26,2 %)     18 (16,8 %)       29 (27,1 %)      32 (29,9 %)       107
Stadt Emden      37 (32,2 %)     36 (31,3 %)       31 (27,0 %)      11 (9,6 %)         115
Lkrs. Wtmd.       40 (27,8 %)      23 (16,0 %)      49 (34,0 %)      32 (22,2 %)       144
Summe             197 (30,0 %)    134 (20,4 %)    185 (28,2 %)    140 (21,3 %)       656

Zunächst zeigen diese Ergebnisse, daß Ostfriesland mit der Ausnahme des Stadtbereichs und des ländlichen Umfelds Emdens1) ein relativ homogenes Sprachbild aufweist, in dem die Stadt-Land-Unterschiede deutlicher hervortreten als die subregionalen Differenzierungen nach Landkreisen. Der Test bestätigt somit den „Ausreißer“ bei den Lehrerschätzungen für den Emder Bereich: Nur 27,8 % der befragten Lehrerschaft insgesamt hatten das aktive Sprachpotential ihrer Schülerinnen und Schüler bei unter 5 % angesetzt; in Emden waren es dagegen mit 64,7 % überproportional viele Lehrerinnen und Lehrer, die diese Niedrigstschätzung abgaben. Dennoch korrigieren die Testergebnisse auch im Fall Emden die eindeutig zu niedrig angesetzten Lehrerschätzungen nach oben.

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1) Für Emden und Umgebung wurde im August 1992 von der Studienreferendarin Antje Kruse (Johannes Althusius-Gymnasium Emden) eine separate Erhebung (589 ausgewertete Fragebögen) durchgeführt, bei der 34,4 % der Schülerinnen und Schüler angaben, aktive Sprachkenntnisse zu besitzen. Vgl. Antje Kruse: Zur Lage des Plattdeutschen im nordwestlichen Ostfriesland. In: Quickborn, Jahrgang 83, 1993: Heft 3, S. 64 ff

Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß die Lehrerschaft an ostfriesischen Schulen.....

    1. eine hohe Unsicherheit in der Bewertung der aktiven plattdeutschen Sprachkenntnisse ihrer Schülerschaft zeigt: hierauf deutet die große Streubreite der abgegebenen Schätzwerte hin;   

    2. das bei Grundschülerinnen und -schülern sowie in den Städten und insbesondere im weiteren Stadtbereich Emdens vorhandene geringere aktive Sprachpotential zwar in der Tendenz, aber nicht im Ausmaß, richtig einschätzt;

    3. bei ihren Niedrigstschätzungen offenkundig von einer spezifischen, noch näher zu untersuchenden Erwartungshaltung geleitet wird, die insbesondere von der in der Region aufgewachsenen Lehrerschaft geprägt wird; und

    4. generell das insbesondere in den Städten noch vorhandene aktive Sprachpotential ihrer Schülerschaft deutlich unterschätzt oder kaum wahrnimmt.

 

3.3.4. Milieufaktoren des niederdeutschen Spracherwerbs bei Schülerinnen und Schülern

Vor dem Hintergrund wachsender Mobilität war es selbstverständlich, daß mit unserer Schülerbefragung auch Schulkinder erfaßt wurden, die nicht in Ostfriesland aufgewachsen sind oder deren Eltern durch späteren Zuzug das Plattdeutsche nicht als Muttersprache kennenlernen konnten. Eine Auswertung der Testergebnisse nach Herkunft der Schülerinnen und Schüler zeigt folgendes Ergebnis:
(.....)

Mit 85 % hier aufgewachsener Schülerinnen und Schüler weist Ostfriesland - zumindest nach dieser Umfrage - einen in Niedersachsen sicherlich überdurchschnittlich hohen Anteil bodenständiger Schulkinder auf. Hierauf ist es sicherlich zurückzuführen, wenn die Testergebnisse selbst bei zugezogenen Kindern und Jugendlichen immer noch eine gewisse assimilatorische Wirkung des Plattdeutschen nachweisen.

Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man eine Generation zurückgeht:

(.....)

Obwohl bei dieser Frage nach der Herkunft der Eltern („Kommen Deine Eltern aus Ostfriesland?“) auch die Antwort „weiß nicht“ vorgegeben war und 14 (Mutter) bzw. 27 (Vater) Ankreuzungen erhielt, dürften die Angaben gerade bei den Grundschulkindern nicht in jedem Fall zuverlässig sein. Deutlich wird dennoch, daß ein „ostfriesisches Elternhaus“ nicht eine unbedingte Voraussetzung für den Erwerb guter plattdeutscher Sprachkenntnisse ist.

Ebensowenig ist allerdings inzwischen eine ostfriesische Herkunft auch zugleich eine Garantie dafür, daß in den jeweiligen Familien auch plattdeutsch gesprochen wird: Bei 479 bzw. 463 befragten Schülerinnen und Schülern, die angaben, ihre Mutter bzw. ihr Vater seien aus Ostfriesland, melden lediglich 242 (37 % der Befragten insgesamt), daß ihre Eltern „oft“ miteinander plattdeutsch sprechen.

Noch weniger Eltern schließlich kommunizieren auch mit ihren Kindern in der Regionalsprache: Hier gaben nur noch 96 befragte Schülerinnen und Schüler an, daß ihre Eltern „oft“ mit ihnen plattdeutsch sprechen. Dennoch hat ein wesentlich höherer Anteil der Kinder und Jugendlichen das Plattdeutsche aus häuslichen Quellen „im Ohr“: 291 Befragte geben an, daß die Eltern „oft“ mit Freunden oder Bekannten platt sprechen und sogar 375 berichten, daß die Eltern mit den Großeltern „oft“ platt sprechen.

Daß dieses häusliche Sprachmilieu fast perfekt mit den Ergebnissen des aktiven Sprachtests korreliert, zeigt die folgende Tabelle:
(.........)

Zweifellos ist die aktive Weitergabe der Regionalprache von den Eltern auf die Kinder wirksamer als die passive Aufnahme dieser Sprache über Elterngespräche mit Freunden oder sonstigen Familienangehörigen: 87,5 % der Kinder, mit denen die Eltern „oft“ plattdeutsch sprechen, zeigen gute bzw. eigenständige Sprachkenntnisse auf dem Testniveau von Gruppe 4 und 3. Bei der um das Dreifache (von 96 auf 291) erhöhten Anzahl der Kinder, in deren Elternhaus „oft“ mit Freunden oder Bekannten plattdeutsch gesprochen wird, erreichen immerhin noch 67,3 % der Kinder dieses Sprachniveau. Und unter der von 291 auf 375 steigenden Anzahl von Kindern, die das Plattdeutsche aus Elterngesprächen mit den Großeltern „im Ohr“ haben, weisen die Testergebnisse bei 66,1 % gute bzw. eigenständige Sprachkenntnisse auf.

Gegenüber der familiären Privatsphäre treten allerdings sowohl für die passive Aufnahme des Niederdeutschen als auch für die aktive Sprachpraxis alle anderen jugendlichen Milieus in ihrer Bedeutung in den Hintergrund. Auf die Frage: „Wo hörst Du in Deinem täglichen Leben am meisten Plattdeutsch? - (Bitte entscheide Dich für ein einziges Antwortkreuz!)“ wählten 65 % der befragten 656 Schülerinnen und Schüler die vorgegebene Antwort „In meiner Familie“. 5,2 % nannten den Freundeskreis; 12,5 % gaben an, „beim Einkaufen“ am meisten Plattdeutsch zu hören; nur 1,2 % erwähnten hier den „Sport“, 11,1 % nannten „sonstige“ Gelegenheiten, während 4,7 % diese Frage nicht beantworteten.

Auch die mit denselben Antwortvorgaben gestellte Frage: „Wenn Du selbst Plattdeutsch sprichst: wo sprichst Du das am meisten?“ ergab das gleiche Bild. Von den 479 Schülerinnen und Schülern, die auf diese Frage antworten konnten, nannten 68,1 % ihre Familie, 11,7 % den Freundeskreis, lediglich jeweils 1,3 % die öffentlichen Situationen „Einkaufen“ und „Sport“ sowie 17,8 % „sonstige“ Gelegenheiten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, daß im Altkreis Aurich der Anteil aller befragten Schülerinnen und Schüler, die die öffentliche Situation des Einkaufens als für sie auffälligste Quelle für das Plattdeutsch-Hören nannten, auf fast das Doppelte (21,1 %) anstieg. Bei dem oben angegebenen Durchschnittswert von 12,5 % variierte der Anteil in den übrigen Landkreisen/Stadt Emden wie folgt: Leer: 12,8 %, Norden: 7,5 %, Emden: 8,7 % und Wittmund: 10,4 %. Diese subregionalen Unterschiede machen deutlich, daß neben den unbestritten wichtigsten Faktor für den niederdeutschen Spracherwerb, das familiäre Sprachmilieu, noch ein weiterer Faktor tritt: der öffentliche Gebrauch der Regionalsprache.

Ausschlaggebend dafür, daß eine Regionalsprache „an die Öffentlichkeit tritt“, ist nun weniger ihre selbstverständliche familiäre Überlieferung und die damit verbundene „Gebrauchsfunktion“, sondern vielmehr das gesellschaftliche Ansehen, das eine Sprache genießt, bzw. die Einstellungen und Bewertungen, die man ihr entgegenbringt. Bausinger prägte hierfür, in Abgrenzung zur „Gebrauchsfunktion“ einer Sprache, den Begriff „Prestigefunktion“ 1). Der Erfassung dieses Faktors haben wir sowohl in der Lehrer- als auch in der Schülerumfrage breiten Raum gewidmet.

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1) H. Bausinger: Deutsch für Deutsche. Dialekte, Sprachbarrieren, Sondersprachen. Frankfurt/M 1972, S. 12. Vgl. auch: D. Stellmacher: Wer spricht Platt? Zur Lage des Niederdeutschen heute. Leer 1987, S. 14 ff.

 

4.   Zur „Prestigefunktion“ des Niederdeutschen: Einstellungen von Lehrer/inne/n und Schüler/inne/n zu Regionalsprache und regionaler Identität

Daß Ostfriesen „eigen-sinnig“ sind und eine hohe Bindung an ihre Region haben, wird in der Literatur und in den Medien immer wieder konstatiert und - je nach Standort - entweder begrüßt oder beklagt. Lange Zeit galt Ostfriesland daher unter Lehramtsanwärtern als eine unterentwickelte Randregion mit einer schwer zugänglichen Bevölkerung, die in ihrem „geschlossenen Horizont“ (Bausinger) Neuankömmlingen die kulturelle und gesellschaftliche Integration erschwerte oder fast unmöglich zu machen schien1). Gerade in der Expansionsphase der 60er und 70er Jahre waren Versetzungen in diese Region oft nur durch Losentscheid zu erwirken.

20 bis 30 Jahre später erfaßt unsere Umfrage nur noch wenige Lehrerinnen und Lehrer, die auf die Frage „Sind Sie auf eigenen Wunsch in Ostfriesland Lehrer/in geworden?“ mit einem klaren „Nein“ antworten: es sind von 125 Nennungen nur 16.

Eine Erklärung für diesen geringen Anteil kann in zwei Richtungen gesucht werden:

-   Die bei 287 verschickten Fragebögen und 127 Antworten erreichte Rücklaufquote von 44,3 % ist zwar für eine vollständig anonymisierte und (aus Kostengründen) ohne Erinnerungsschreiben durchgeführte schriftliche Befragung immer noch vergleichsweise hoch. Die Ausfälle könnten aber zu einer systematischen Verzerrung der Repräsentativität gerade bei dem Thema dieser Befragung geführt haben. Diese mögliche Verzerrung würde weniger die Repräsentativität nach Schulformen und -stufen, Stadt und Land sowie regionaler Verteilung, sondern eher das ermittelte Meinungsspektrum betreffen. Vermutungen in dieser Richtung werden jedoch durch die Antworten auf die Frage: „Wie lange leben Sie schon in Ostfriesland?“ korrigiert. Von den 126 Antworten auf diese Frage entfallen 52 auf die beiden Vorgaben „Bin hier aufgewachsen“ und „Bin vor meinem Schulabschluß zugezogen“. 74 Lehrerinnen und Lehrer haben als Junglehrer/innen hier angefangen bzw. sich „als schon Berufstätige hierher versetzen lassen“. Dieser hohe Anteil nicht in der Region aufgewachsener Lehrerinnen und Lehrer spricht gegen einen verzerrenden Effekt durch die lebensgeschichtliche Nähe oder Ferne zum Thema der Befragung.

-   Die plausiblere Erklärung wird in dem oben zitierten Aufsatz von Hannes Hothan angedeutet: Die meisten der gegen ihren Willen nach Ostfriesland versetzten Junglehrer/innen der 60er und 70er Jahre haben sich schon nach kurzer Zeit konstruktiv mit ihrem neuen Lebensumfeld arrangiert und dann eine größtenteils sogar höhere Sensibilität für die Besonderheiten der Region entwickelt als viele ihrer einheimischen Kolleginnen und Kollegen. Vor dem Hintergrund dieser z. T. mühselig erarbeiteten Identifikation mit der Region sinkt dann folgerichtig auch die Bereitschaft, in einer schriftlichen Befragung, selbst wenn sie anonym ist, die eventuelle frühere Distanz zur Region einzuräumen.

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1) Vgl. Hannes Hothan: Die Unterrichtsversorgung in den 60er und 70er Jahren in Ostfriesland mit Beispielen der Situation an der Mittelpunktschule „Kloster Barthe“ in Hesel. In: H. Bierwirth, H. Hothan, K. Klattenhoff (Hrsg.): Schule in Ostfriesland 1945 - 1995. Oldenburg 1995, S. 293 - 299, hier v. a. S. 295 zu den Vorurteilen über Ostfriesland.


Viele Ergebnisse unserer Befragung stützen diese, zugegebenermaßen psychologisierende Hypothese, die durch stärker qualitativ orientierte Untersuchungen sicherlich noch mit einer höheren Validität zu überprüfen wäre. Gegenüber den vielerorts noch bestehenden Vorurteilen war es uns jedoch wichtig, gerade das Thema der regionalkulturellen Integration der Lehrerschaft auch in unserer Lehrerumfrage zu thematisieren.


4.1. „Regionale Identität“ im Meinungsbild der Lehrerinnen und Lehrer: Distanz oder Identifikation?

In der Region aufgewachsene und später zugezogene Lehrerinnen und Lehrer unterscheiden sich nicht, wenn es um die Umschreibung von „regionaler Identität“ geht: Übereinstimmend lehnen sie mit großer Mehrheit (71,2 % und 75,7 %) die in der Umfrage angebotene These ab, „regionale Identität (sei) heute vor allem ein wirtschaftliches, weniger ein kulturelles bzw. sprachliches Phänomen.“ Ebenso übereinstimmend, fast einstimmig (45 von 51 und 62 von 74), wird die Behauptung der kulturellen Unverwechselbarkeit Ostfrieslands gestützt, die in der Befragung bewußt in einen „Ich“-Satz gekleidet wurde: „Ich kann im kulturellen Leben Ostfrieslands viele Elemente entdecken, die diese Region auch nach außen unverwechselbar machen.“ Diese Übereinstimmung wird auch nicht durch den Befund relativiert, daß die vier abweichenden Meinungen allesamt von später zugezogenen Lehrerinnen und Lehrern artikuliert wurden.

Eine Überinterpretation quantitativer Nuancen wäre es, wollte man die Unterschiede in der Ablehnung der folgenden im Fragebogen angebotenen „Meinungsäußerung“ zu einer Identifikationsdifferenz hochstilisieren. Die These: „Ein kulturell bzw. sprachlich geprägtes Regionalbewußtsein und Weltoffenheit schließen sich in der Regel gegenseitig aus“, wird von 88,5 % (46 von 52) der in der Region aufgewachsenen und von 78,7 % (59 von 75) der später zugezogenen Lehrerschaft abgelehnt. Immerhin hätten hier aber 7 Lehrerinnen und Lehrer der letzten Kategorie ihre Meinung wechseln müssen, um eine vollständige Übereinstimmung zu signalisieren. Hier zeigen sich ansatzweise erste Unterschiede in der Bewertung regionaler Identität.

Das Schlagwort vom „Europa der Regionen“ hat inzwischen in der öffentlichen Debatte den noch in den 70er Jahren virulenten Gegensatz zwischen „Universalismus“ und „Provinzialismus“, zwischen „Weltbürgertum“ und „Heimatorientierung“, durch einen modernen Regionalismus überlagert und entschärft (vgl. oben Kap. 1.1.). Deutlich wird dies in der generellen Ablehnung, zwischen „Weltoffenheit“ und „Regionalbewußtsein“ einen Gegensatz zu konstruieren, die offenkundig auch von der Lehrerschaft geteilt wird.

Noch aktueller ist allerdings die Debatte über eine - wie auch immer zu bestimmende - „Mindestgröße“ europäischer Regionen. Hier konkurrieren das Selbstverständnis der Bundesländer gemäß einer formalen europäischen Definition von Region (= „Ebene unterhalb des Nationalstaats“), die strukturpolitischen Überlegungen und politisch-institutionellen Ambitionen darunter angesiedelter Mittelinstanzen bzw. grenzüberschreitender Zusammenschlüsse (Beispiele: „Region Weser-Ems“ mit dem Marketing-Slogan „Wir wachsen, zusammen!“, „Hanse Interregio“, „Ems-Dollart-Region“) sowie das Selbstverständnis und Regionalbewußtsein historisch-kulturell geprägter Landesteile, die sich auf die Minimaldefinition der „Regionalisierungscharta“ des Europäischen Parlaments vom November 1988 berufen können:

„1. Im Sinne dieser Charta versteht man unter Region ein Gebiet, das aus geografischer Sicht eine deutliche Einheit bildet, oder aber ein gleichartiger Komplex von Gebieten, die ein in sich geschlossenes Gefüge darstellen und deren Bevölkerung durch bestimmte gemeinsame Elemente gekennzeichnet ist, die die daraus resultierenden Eigenschaften bewahren und weiterentwickeln möchte, um den kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt voranzutreiben.
2. Unter gemeinsamen Elementen einer bestimmten Bevölkerung versteht man gemeinsame Merkmale hinsichtlich der Sprache, der Kultur, der geschichtlichen Tradition und der Interessen im Bereich der Wirtschaft und des Verkehrswesens. Es ist nicht unbedingt erforderlich, daß all diese Elemente immer vereint sind.“

Daß diese aktuelle Debatte Wirkungen auch im Meinungsspektrum der Lehrerschaft zeigt, machen die Ergebnisse zu einem weiteren Umfrage-Item deutlich, wobei sich die beiden hier untersuchten Lehrergruppen weiter differenzieren. Für die These: „Ostfriesland hat wirtschaftlich und politisch nur eine Chance, wenn es in größeren Einheiten (z. B. Region Weser-Ems) aufgeht“, ergab sich das folgende Meinungsbild:

(........)

Fast ein Drittel der Befragten befand sich bei der Stellungnahme zu dieser aktuellen These offenkundig in einer Patt-Situation, die anzeigt, daß hier der öffentliche Meinungsbildungsprozeß gerade erst begonnen hat. Dennoch unterscheiden sich „einheimische“ und „zugezogene“ Lehrerinnen und Lehrer bereits deutlich in der Akzeptanz dieser These (die, nebenbei bemerkt, nur im Altkreis Norden eine Mehrheit fand).

Die gleiche Konstellation zeigt sich wesentlich deutlicher, wenn das folgende Hauptargument des modernen Regionalismus, die in vielen Untersuchungen zu Prozessen der Regionalentwicklung empirisch belegte These1) angeboten wird: „Die bewußte Verteidigung regionaler Identität kann in einer Region kulturelle Energien und Gemeinsinn freisetzen, die sich auch wirtschaftlich und politisch belebend auswirken.“

Bei den in der Region aufgewachsenen Lehrerinnen und Lehrern findet diese These eindeutig mehr Zustimmung als bei den später zugezogenen Kolleginnen und Kollegen, die, wie die hohe Rate der Unentschiedenen zeigt, sich mit diesen Zusammenhängen noch wenig auseinandergesetzt haben oder skeptisch bleiben.

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1) Vgl. unter vielen: Michel Bassand: Culture and Regions of Europe. Council of Europe. Strasbourg 1993.

 

(.......)

Regionalismus als Strategie der Regionalentwicklung nach innen in seiner modernen westeuropäischen Spielart findet dennoch nicht nur in der „einheimischen“ Lehrerschaft Unterstützung. Bemerkenswert ist, daß insgesamt eine klare Mehrheit aller befragten Lehrerinnen und Lehrer eine Vorstellung von regionaler Identität vertritt, die sich weit von der traditionellen Heimatpflege in provinzieller Abschließung entfernt hat. In dieser Wendung ist regionale Identität auch für „zugezogene“ Lehrerinnen und Lehrer akzeptabel.

Hier spiegeln sich Einsichten, die in Niedersachsen zur Einrichtung regionaler Strukturkonferenzen geführt haben:
„Regionsbildung ist kein administrativer Organisations-, sondern ein gesellschaftlicher und politischer Verständigungsprozeß, in dem es um Konsensbildung über Ziele und Wege einer möglichst eigenständigen und regionsverträglichen Modernisierung geht. Erleichtert wird diese Konsensbildung durch die Gemeinsamkeit von Lebensgewohnheiten und Hintergrundüberzeugungen, über die sich die Akteure einer Region nicht jeweils neu verständigen müssen. Regionale Identität aktualisiert sich im gemeinsamen Handeln vor dem Hintergrund eines historisch-kulturellen Zusammengehörigkeitsgefühls.“1)

Für eine solche kommunikations- und handlungsorientierte Definition von „regionaler Identität“ wird die Regionalsprache zu einem Symbol bzw. Ausdruck eines regionalen Zusammengehörigkeitsgefühls, nicht aber zu dessen Voraussetzung oder „Substanz“: Dies unterscheidet ethno-nationalistische und traditionelle Volksgruppen-Rhetorik von dem „offenen“ Regionsbegriff des modernen Regionalismus. Deutlich wird aber auch, daß das neuerdings in Mode gekommene Identitäts-Management und Regionsmarketing „von oben“ ein historisch-kulturell gewachsenes Zusammengehörigkeitsgefühl nicht ersetzen kann, wenn es um die Mobilisierung kultureller Energien für endogene Regionalentwicklung geht. Diese Form regionaler Identität schließt überregionale Kooperation nicht aus, sondern gibt ihr erst das notwendige Fundament.

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1) D. Gerdes: Thesen über „Region und regionale Identität“ in Niedersachsen, Vortrag im Rahmen des „Kulturgesprächs Niedersachsen“ des MWK (19. - 21. Februar 1993). Vgl. Ders.: Regionale Kultur als Entwicklungsfaktor. Kritische Anmerkungen zu aktuellen Trends regionaler Kulturförderung. In: Neues Archiv für Niedersachsen, 1/1995, S. 127 - 136.

 

Die zunehmende Verdrängung einer Regionalsprache durch Schule, Massenmedien und „Hochkultur“ bedeutete noch vor drei Jahrzehnten zugleich auch eine Neutralisierung der darin sich ausdrückenden kulturellen Kreativität einsprachig aufgewachsener Regionsbewohner. Heute wächst in Westeuropa und auch - wie unsere Schülerbefragung zeigt - in Ostfriesland kaum noch ein Kind ausschließlich in der Regionalsprache auf. In dieser Situation bedeutet die Förderung von Regionalsprachen zugleich auch eine Förderung von Zweisprachigkeit, die, wie entsprechende Forschungen1) ergeben haben, eine gute Grundlage für den späteren Fremdsprachenerwerb bildet. Neben das Identitätsargument tritt heute also noch ein sprachpädagogisches Argument, das es allerdings in der älteren Lehrergeneration schwer haben dürfte (vgl. oben Abschnitt 2.2.).


4.2. Regionalsprache im Meinungsbild der Lehrerinnen und Lehrer: Vom „Sprachdarwinismus“ zur Regionalsprachenförderung

Immerhin stimmen aber 69,8 % der befragten Lehrerinnen und Lehrer der These zu: „Je stärker sich Europa zusammenschließt, desto wichtiger wird der Erhalt einer Regionalsprache zur Wahrung regionaler Identität.“ Nach den bisherigen Ergebnissen der Lehrerumfrage fällt erneut auf, daß sich die beiden hier untersuchten Gruppen der „einheimischen“ und „zugezogenen“ Lehrerinnen und Lehrer nicht deutlicher in ihrem Meinungsbild unterscheiden: Bei den „Einheimischen“ finden wir zu 76,5 % (39 von 51) Zustimmung, bei den „Zugezogenen“ sind es immerhin noch 65,3 % (49 von 75).

Gleiches gilt für die schwierige Zukunftsprognose, die von den Lehrerinnen und Lehrern mit der Stellungnahme zu der These: „Ich nehme an, daß das Plattdeutsche in Ostfriesland in 50 Jahren weitgehend ausgestorben sein wird“, erbeten wurde: 30,2 % stimmen diesem Negativszenario zu, hierbei unterscheiden sich „Einheimische“ und „Zugezogene“ nur unwesentlich um 1,1 %. Abgelehnt wird diese These dagegen von 45,2 % aller Befragten. Auch hier sind die Unterschiede mit 6,3 % („Einheimische“: 49,0 %, „Zugezogene“: 42,7 %) minimal.

Auch in der Beurteilung der funktionalen Aspekte des Plattdeutschen stimmen beide Lehrergruppen weitgehend überein: Die These: „Im alltäglichen Umgang mit Behörden, Ämtern und im Geschäftsleben lassen sich mit Plattdeutsch viele Probleme unkomplizierter lösen“, wird von 73 % aller Befragten bejaht, die Differenz beträgt 2,5 % und ist statistisch ohne Bedeutung. Die regionalkulturell hochsensible Behauptung: „Plattdeutsch ist eine Sprache der einfachen mitmenschlichen Kommunikation; einen inhaltlich differenzierten Vortrag kann ich mir in plattdeutscher Sprache nur schwer vorstellen“, wird mit 64,7 % bzw. 64,8 % einhellig abgelehnt. Hier zeigen sich die später zugezogenen Lehrerinnen und Lehrer sogar besonders zurückhaltend: Nur 17,6 % gegenüber 25,5 % der „Einheimischen“ stimmen dieser Behauptung zu.

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1) Vgl. u. a.: „Mehrsprachigkeit bei Kindern - eine Chance, kein Hindernis. Proot mehr Platt mit Jo Kinner!“ Vortrag von Frau Prof. Dr. Dr. Els Oksaar bei der Jahreshauptversammlung des Vereins Oostfreeske Taal i. V. am 25.04.1992 in Aurich. Heft 1 der Schriftenreihe des Vereins Oostfreeske Taal, Aurich, 3. Auflage (insg. 23.000 Exemplare!) 1995 - Diese Broschüre wird über die Standesämter Ostfrieslands kostenlos an alle Eltern neugeborener Kinder verteilt.


Besonders häufig tritt nach den Erfahrungen aus dem Pilotprojekt gerade bei den „Einheimischen“, die dem Pilotprojekt distanziert gegenüberstanden, ein mißverstandener und durch die Allgegenwart der Standardsprache in Schule und Öffentlichkeit fehlplazierter „Sprachdarwinismus“ auf. Dieses Phänomen wurde durch die in der Befragung angebotene These eingefangen: „Es ist wenig erfolgversprechend, Plattdeutsch durch gezielte Maßnahmen in Schule und Öffentlichkeit fördern zu wollen: Entweder hat Plattdeutsch die Vitalität, sich als Regionalsprache zu behaupten, oder es hat diese Vitalität nicht und stirbt langsam aus.“

Abgelehnt wurde diese These von 49,6 % aller Befragten, wiederum einhellig (50 % bzw. 49,3 %) von beiden Gruppierungen. Die Zustimmung allerdings differierte wie erwartet, wenn auch nicht im erwarteten Umfang: 17 von 50 (34 %) der „Einheimischen“ und 21 von 75 (28 %) der „Zugezogenen“ sind diesem „Sprachdarwinismus“ verfallen. Dieses Ergebnis zeigt zumindest ansatzweise eine höhere Sensibilität der zugezogenen Lehrerinnen und Lehrer für die Komplexität dieses Problems.

Wir haben im ersten Kapitel dieser Bestandsaufnahme bereits darauf hingewiesen, daß der auch bis heute noch nicht völlig überwundene Gegensatz zwischen „Weltbürgern“ und „Provinzlern“ in den 60er und 70er Jahren gerade unter einheimischen Regionsbewohnern zu besonders intensiven Auseinandersetzungen zwischen „Modernisierern“ und „Traditionalisten“ geführt hatte. Regionalistisches Gedankengut, ein funktionaler Begriff von „regionaler Identität“ (vgl. oben 4.1.) und der populäre Slogan „Global denken, lokal/regional handeln“ haben diesen Gegensatz zwar abgeschwächt, aber nicht aufgehoben: Ein sich bewußt von der vermeintlichen Enge seiner regionalkulturellen Herkunft distanzierender Regionsbewohner ist in dieser Distanz zur Regionalkultur in der Regel radikaler als jeder später Zugezogene. „Sprachdarwinismus“ ist eine typische Attitüde dieser „Modernisierer“.

Wenn wir oben unter den „Einheimischen“ immer noch einen überproportionalen Anteil von „Sprachdarwinisten“ identifizieren konnten, so müßte sich dieses Bild weiter differenzieren, wenn man die Auswertungskategorie „Einheimischer“ näher aufschlüsseln könnte. Hierzu reicht die Datenbasis allerdings kaum aus. Immerhin fällt auf, daß sich bei einer Auswertung nach „aktiven Sprachkenntnissen“  (Selbsteinschätzung) ein scheinbar widersprüchliches Ergebnis zeigt: Je besser die Sprachkenntnisse sind, desto weniger halten die Befragten von der „Vitalitätsthese“ im „Überlebenskampf“ einer Regionalsprache.
(.......)
Trotz kleiner Zellenbesetzung ist hier ein eindeutiger Zusammenhang festzustellen, der mit unseren Beobachtungen übereinstimmt: Es gibt zwar einen naheliegenden Zusammenhang zwischen Herkunft und Sprachkenntnissen (vgl. oben 3.1.), aber in der Region aufgewachsen zu sein, bedeutet keineswegs, auch die Regionalsprache zu beherrschen (oder sich zu ihr zu bekennen!).

Wenn „Einheimische“ der „Vitalitätsthese“ zuneigen, zugleich aber gute Sprachkenntnisse mit einer Ablehnung dieser These einhergehen, dann wird der „Sprachdarwinismus“ stark von „Einheimischen“ mit großer Distanz zum Plattdeutschen vertreten: 9 von 19 (47,4 %) in der Region aufgewachsenen Lehrerinnen und Lehrern, die angaben, nur wenig oder gar nicht Plattdeutsch zu sprechen, aber nur 21 von 69 (30,4 %) zugezogenen Lehrerinnen und Lehrern mit der gleichen Selbsteinschätzung ihrer Sprachkompetenz stimmen der „Vitalitätsthese“ zu.

Dieser Befund gibt zwar nur einen indirekten Hinweis auf das angesprochene Problem, daß die Ablehnung einer aktiven Regionalsprachenförderung aus einem spezifischen Modernitätsbewußtsein resultieren kann, macht aber umso eindeutiger klar, daß eine nachhaltige Opposition gegen eine schulische Plattdeutschförderung eher von einer Minderheit „einheimischer“ als von „zugezogenen“ Lehrerinnen und Lehrern zu erwarten wäre. Es sollten aber weitere Untersuchungen angestellt werden, um diese (vielleicht manchen überraschende) Beobachtung am Rande des Pilotprojekts empirisch besser stützen zu können. Dem Verfasser dieser Befragungsauswertung sind diese Zusammenhänge allerdings aus vielen Randregionen Westeuropas vertraut. Sie lassen sich als Nachhall einer in den 60er und 70er Jahren noch vergleichsweise heftigen Debatte zwischen zwei polarisierten Lagern über einen inzwischen veralteten Modernisierungsbegriff interpretieren.

Wichtiger ist in diesem Zusammenhang der ermittelte Befund, daß eine schulische Förderung des Niederdeutschen nur noch von weniger als einem Drittel der Lehrerschaft explizit abgelehnt wird, während etwa die Hälfte ihr aufgeschlossen gegenübersteht. Die von „Plattdeutsch-Aktivisten“ hin und wieder geäußerte Vermutung, daß hierfür nur „Einheimische“ zu gewinnen seien, kann durch die Ergebnisse der Umfrage nicht bestätigt werden.

Allerdings scheint es noch ein weiter Weg zu sein, diese generelle Aufgeschlossenheit auch in ein aktives Engagement zu überführen. Unsere Umfrage bestätigte, was allgemein bekannt ist: „Plattdeutsch-Aktivisten“ sind eine kleine Minderheit in der heutigen Lehrerschaft. Nur 6 von 127 Befragten waren Mitglieder des Mesterkrings, ein Ergebnis, das mit 4,7 % der Lehrerschaft die reale Verbreitung des Mesterkrings etwas zu hoch abbildet. Gleichwohl gaben immerhin 38 von 127 Befragten (29,9 %) an, daß sie bereits vom Mesterkring gehört hätten und sich auch für ihn interessieren würden.

An Lehrerfortbildungsveranstaltungen zum Thema „Plattdeutsch in der Schule“ hatten insgesamt 12 von 127 Befragten (9,4 %) teilgenommen, davon die Hälfte nur einmal. Lediglich vier Befragte gaben an, daß sie öfter teilgenommen hätten und mit den Veranstaltungen „zufrieden“ seien. Auch diese Zahl dürfte die reale Reichweite der bisher angebotenen Plattdeutsch-Fortbildung noch zu positiv zeichnen. Die realen Teilnehmerzahlen für den Bereich Oldenburg/Ostfriesland liegen der Bezirksregierung Weser-Ems vor. Sie wurden dem Verfasser nach Anfrage bisher noch nicht zur Verfügung gestellt.

Eine höhere Attraktivität wird die Lehrerfortbildung in diesem Bereich nur über eine Verbesserung einerseits der schulischen Rahmenbedingungen für eine Integration des Plattdeutschen in den Unterricht, andererseits der thematischen und inhaltlichen Attraktivität des Plattdeutschen innerhalb eines regionalkundlichen Lernfeldes gewinnen (vgl. dazu die entsprechenden Ausführungen im folgenden Teil dieses Papiers).

4.3. Imagewandel und Interesse der Schülerschaft am Plattdeutschen

Stellt man der heutigen Schülerschaft in Ostfriesland die Frage: „Glaubst Du, daß man eher Vorteile oder eher Nachteile hat, wenn man in Ostfriesland Plattdeutsch spricht?“, dann kommt sie auch ohne großes Nachdenken über Zweisprachigkeit oder regionale Identität fast
einhellig zu dem Ergebnis, daß Plattdeutsch hier „eher Vorteile“ bringt. In unserer Schülerbefragung wurde diese Frage nur an die Klassenstufen 8 (HS, RS) und 10 (Gymnasien, KGS Wittmund) gerichtet. 84,8 % (217 von 256) der Befragten, die hier eine Antwort gaben, entschieden sich für dieses positive Urteil, das fast ausnahmslos mit alltagsorientierten praktischen Begründungen untermauert wurde. Die erkennbaren Differenzierungen nach Schulformen sind vergleichsweise gering, waren aber so zu erwarten.

(........)

Dieselben Schülerinnen und Schüler (also ohne GS/OS) beantworteten dann auch die Fragen: „Möchtest Du Plattdeutsch gerne (besser) verstehen/sprechen/lesen/schreiben können“, durchgängig mehrheitlich mit „Ja“.(„Verstehen“: 57,6 %, „Sprechen“: 65,1 %, „Lesen“: 55,6
% und „Schreiben“: 53,9 %.)

Auch die Richtung dieses Interesses läßt sich identifizieren. Auf die Frage: „Plattdeutsch wird in vielen Bereichen angeboten. Was interessiert Dich persönlich am meisten? (Kreuze höchstens drei Felder an!)“ ergab sich die folgende Reihenfolge der Nennungen:
    1. Plattdeutsches Theater:           126 Nennungen
    2. Plattdeutsch in Zeitungen:         73 Nennungen
    3. Plattdeutsch im Fernsehen:       62 Nennungen
    4. Plattdeutsche Lieder:                 60 Nennungen
    5. Plattdeutsch in Büchern:            54 Nennungen
    6. Plattdeutsch im Rundfunk:         38 Nennungen
    7. Plattdeutscher Gottesdienst:      30 Nennungen

Daß diese „Hitliste“ plattdeutscher Medien unangefochten vom Theater angeführt wird, ist zum einen der Reflex einer überaus lebendigen regionalen Theaterkultur und bestätigt zum anderen die große schulische und öffentliche Resonanz der theaterpädagogischen Projekte
(Autorenwettbewerb für modernes plattdeutsches Kinder- und Jugendtheater; „Ostfriesland-Tournee“ der Theatergruppe der KGS Wittmund mit einem preisgekrönten Theaterstück dieses Wettbewerbs in professioneller Inszenierung; schulische Theaterfahrten nach Neuenburg
zu Aufführungen des Stücks „Amanita“ (Ingo Sax) etc.), die die Regionalsprachliche Fachstelle der Ostfriesischen Landschaft (Leiterin: Cornelia Nath) während der Laufzeit des Pilotprojekts in Kooperation mit der „Arbeitsgemeinschaft ostfriesischer Volkstheater“ und dem
Pilotprojekt durchführte (vgl. hierzu die Dokumentation im Anhang). Auch die Veröffentlichungen des Pilotprojekts haben hier - neben der Musik - einen Schwerpunkt gesetzt.

Den Abschluß beider Varianten des Fragebogens - also auch der Schülerbefragung in der Grundschule und der Orientierungsstufe - bildete ein Puzzle bewertender Adjektive, wobei die jeweiligen Gegensatzpaare in einer ungeordneten Reihenfolge versteckt waren (vgl. Abdruck
des Fragebogens im Anhang, Frage 16 bzw. 13). Die Aufforderung lautete: „Jetzt kannst Du Deine Meinung über Plattdeutsch sagen (Kreuze alle Urteile an, die Dir zutreffend erscheinen): ‘Ich finde die plattdeutsche Sprache ...’“

Nach Gegensatzpaaren geordnet und in der Reihenfolge der Nennungen ergibt sich ein „Polaritätsprofil“, das ein bemerkenswert positives
Image des Plattdeutschen zeichnet:
        „interessant“: 362 Nennungen      „langweilig“: 90 Nennungen
        „schön“: 264 Nennungen              „häßlich“: 65 Nennungen
        „schwierig“: 257 Nennungen         „einfach“: 122 Nennungen
        „altmodisch“: 188 Nennungen       „modern“: 47 Nennungen

Daß sich hinter diesen Urteilen unterschiedliche Motive verbergen, muß nicht extra betont werden. Aufschlußreich ist bereits eine Aufschlüsselung dieser Nennungen nach den Ergebnissen des aktiven Sprachtests:
(.......)

Wenn in den Gruppen 1 und 2, also bei Schülerinnen und Schülern ohne oder mit nur geringen Sprachkenntnissen, das Adjektiv „schwierig“ die höchste Anzahl von Nennungen erhält, ist das wenig verwunderlich. Bemerkenswert ist allerdings, daß bei beiden Gruppen auch an
zweiter Stelle kein abwertendes Urteil steht, sondern das Adjektiv „interessant“, das bei den Schülerinnen und Schülern mit originären Sprachkenntnissen (Gruppe 3 und 4) unangefochten an der Spitze steht. Schon an dritter Stelle aller Nennungen der Gruppen 1 und 2 folgt dann allerdings die Qualifizierung „altmodisch“, mit der ein großer Teil insbesondere der Gruppe 1 ihr Desinteresse am „langweiligen“ Plattdeutsch zu rechtfertigen versucht.

Die obigen Ergebnisse geben übrigens einen erneuten Hinweis auf die hohe Trennschärfe des Tests: die Trennlinie für überwiegend positive bzw. negative Urteile verläuft auffallend deutlich zwischen den Gruppen 2 und 3: sie trennt in der Definition der Gruppen zugleich abgeleitete
von originären Sprachkenntnissen.

Festzuhalten ist, daß das herkömmliche Image der „häßlichen“ Bauernsprache im Urteil der heutigen Schülergeneration kaum noch eine Rolle spielt. Selbst diejenigen Schülerinnen und Schüler, die die größte sprachliche Distanz zum Plattdeutschen zeigen, finden das ihnen unbekannte Terrain überwiegend attraktiv. Wenn in der heutigen „Postmoderne“ das Urteil „altmodisch“ noch einen negativen Klang hat - was sicherlich der Fall ist -, dann muß Regionalsprachenförderung hier ansetzen: auch gute Plattdeutschsprecher sind sich offenkundig keineswegs sicher, ob ihre Muttersprache noch ein „zeitgemäßes“ Kommunikationsmedium ist. Umgekehrt ist allerdings auffällig, daß bei fast allen Auflistungen negativer und positiver Imagefaktoren nach Landkreisen/Stadt Emden gerade Schülerinnen und Schüler aus Emden,
die vergleichsweise wenig aktive Sprachkenntnisse und die höchste Zuzugsquote zeigten (vgl. oben 3.3.3.), den jeweils höchsten Anteil positiver Wertungen und Aussagen ausweisen. Auch der Anteil derjenigen, die Plattdeutsch gerne besser verstehen oder sprechen möchten, ist im Bereich Emden mit 73,2 % (Verstehen) bzw. 83,3 % (Sprechen) eindeutig am höchsten.

Dieser Befund könnte als Bestätigung unserer für die Lehrerumfrage formulierten Hypothese angesehen werden, daß „einheimische“ Plattdeutschsprecher stärkere Ambivalenzen in der Bewertung ihrer regionalkulturellen Prägungen zeigen als „unbefangene“ Zugezogene - ein deutliches Indiz für die Internalisierung der öffentlichen Abwertung der Regionalsprache!

 

 

C. Ansatzpunkte und Maßnahmen für einen verbesserten schulischen Stellenwert des Plattdeutschen

 

1.   Image und Wahrnehmung des Plattdeutschen: Sind Regionalsprachen "altmodisch"?

Unsere Bestandsaufnahme hat auf den engen Zusammenhang zwischen "Gebrauchs-" und "Prestigefunktion" (Bausinger) einer Regionalsprache hingewiesen. Deutlich wurde dabei, daß der Einfluß von Prestigefaktoren auf den alltagspraktischen Gebrauch des Plattdeutschen weniger durch kurzfristige modisch-mediale Meinungsschwankungen als vielmehr durch mittel- bis langfristig wirkende gesellschaftliche und kulturelle Trends bestimmt wird.

 

1.1. Sozialer Wandel, "Postmaterialismus" und Alltagsorientierungen

Die von der GETAS-Umfrage 1984 festgestellte hohe Wertschätzung des Plattdeutschen im gesamten norddeutschen Sprachgebiet wurde von Dieter Stellmacher in Anlehnung an die grundlegenden Forschungen zum "Wertewandel" (R. Inglehart) als "postmaterialistisches" Phänomen interpretiert. Es zeigte sich aber, daß dieser Meinungsumschwung noch keineswegs zu entsprechenden Verhaltensänderungen im alltagspraktischen Sprachverhalten geführt hatte. Überlagert wurde dieser Meinungsumschwung zum Zeitpunkt der Befragung noch durch tiefsitzende sprachkulturelle Prägungen, die nach den Ergebnissen der Umfrage eindeutig auf den seit Generationen wirksamen "sprachlichen Normendruck" des Erziehungswesens zurückzuführen sind: "Sogar mit dem bloß hochdeutsch sprechenden Hausarzt wird häufiger Platt gesprochen als mit dem den sprachlichen Normendruck verkörpernden Lehrer"1).

Die Wertewandel-Diskussion gehört inzwischen zum sozialwissenschaftlichen Antiquariat. Man weiß heute, daß eine "postmaterialistische" Interpretation der "Dialektwelle", die Stellmacher entsprechend auf "eine verbreitete Sehnsucht nach alternativem, einfachem und gesundem Leben" (a.a.O., S. 20) zurückführte, zu kurz greift. Diese Interpretation reiht die europaweite Renaissance des Regionalen zu vordergründig in ein schon historisches Konfliktschema von Modernismus und Antimodernismus ein, in dem "Mundart-Pflege" lediglich Abwehr und/oder Protest gegen die kulturellen Folgeerscheinungen eines säkularen Modernisierungsprozesses signalisiert. Das "Folk-Revival" der 70er und 80er Jahre wurde zwar nicht mehr in den Rubriken "Provinzialismus" und "Heimatpflege" eingeordnet, gleichwohl aber lediglich als neue Variante periodischer Gegenbewegungen gegen einen mit scheinbar naturgesetzlicher Notwendigkeit fortschreitenden Prozeß zunehmender Zentralisierung oder "Globalisierung" ökonomischer, politischer und kultureller Orientierungen interpretiert.

Dieses herkömmliche Verständnis von Modernisierung2) wird durch gesellschaftliche Realitäten heute nicht mehr gedeckt: Zentralisierung und Dezentralisierung, Globalisierung und Kleinräumigkeit markieren heute dynamische Wechselbeziehungen und nicht mehr die gegensätzlichen Orientierungspunkte von Traditionalismus und Fortschrittlichkeit.3)

____________________________________
1) Dieter Stellmacher: Wer spricht Platt? Zur Lage des Niederdeutschen heute. Schriften des Instituts für niederdeutsche Sprache. Reihe Dokumentation, Nr. 14. Leer: Schuster, 1987, S. 34
2) Eine der eindrucksvollsten Darlegungen dieses modernisierungstheoretischen "mainstreams" findet sich in dem immer noch lesenswerten Buch von Karl W. Deutsch: Nationalism and Social Communication. An Inquiry into the Foundations of Nationality. New York/London 1953
3) Vgl. u.a.: O. Schwencke, H. Schwengel, N. Sievers (Hrsg.): Kulturelle Modernisierung in Europa. Regionale Identitäten und soziokulturelle Konzepte. Hagen 1993. Udo Bullmann (Hrsg.): Die Politik der dritten Ebene. Regionen im Europa der Union. Baden-Baden, Nomos, 1994; Heinz Kruse: Reform durch Regionalisierung. Eine politische Antwort auf die Umstrukturierung der Wirtschaft. Frankfurt/M. 1990. Bernhard Heindl: Ausbildung zur Eigenständigkeit zwischen Provinzialismus und Weltoffenheit - Bemerkungen zur "eigenständigen Regionalentwicklung" in Österreich. In: U. Klemm/Kl. Seitz (Hrsg.): Das Provinzbuch. Bremen 1989, S. 245- 256


Wenngleich sich für diese These die Belege aus Ökonomie, Politik und Kultur häufen, so ist es keineswegs selbstverständlich, daß tief verwurzelte Einstellungen durch den sozialen und technologischen Wandel der vergangenen 20 Jahre bereits grundsätzlich erschüttert wurden.

Schwencke, Schwengel und Sievers machen auf solche charakteristischen Verzögerungen aufmerksam, indem sie einerseits konstatieren, daß beispielsweise "unter 'Europa der Regionen' auch eine zukunftsträchtige Wirtschaftsweise verstanden werden (muß), die die großen wirtschaftlichen und kulturellen Trends des späten zwanzigsten Jahrhunderts wirkungsvoll für sich einsetzt" (a.a.O., S. 10), andererseits aber zugeben, daß das "Europa der Regionen" noch kein Thema sei, "mit dem Wahlen gewonnen werden könnten". Dies scheitert nicht nur an den vielen provinziellen "Schrebergärten der Scheinmodernität" (Robert Picht), sondern findet seine Grenzen auch in handfesten politischen und wirtschaftlichen Interessen.

Ähnliche Verzögerungseffekte stellten wir auch in unserer Lehrerumfrage fest: Bemerkenswert ist, daß insgesamt eine klare Mehrheit aller befragten Lehrerinnen und Lehrer heute einer Vorstellung von "regionaler Identität" zustimmt, die sich weit von der traditionellen Heimatpflege in provinzieller Abschließung entfernt hat. Zwischen "Weltoffenheit" und "Regionalbewußtsein" wird kein Gegensatz mehr gesehen, und fast 70 % der Befragten stimmten der These zu: "Je stärker sich Europa zusammenschließt, desto wichtiger wird der Erhalt einer Regionalsprache zur Wahrung regionaler Identität." Nur noch ein Drittel der Lehrerschaft verneint kategorisch die Frage: "Würden Sie Plattdeutsch gerne (häufiger) in Ihren Unterricht einbeziehen?"

Umgesetzt wird diese Aufgeschlossenheit jedoch nur von einer Minderheit: Lediglich 11 % aller Befragten konnten von einer "regelmäßigen" oder "häufigeren" Einbeziehung des Plattdeutschen in ihren Unterricht berichten. Etwas über die Hälfte tut dies "selten", 38,6 % "überhaupt nicht". Die amtlichen Ermunterungen oder Vorgaben für eine regelmäßige Einbeziehung des Plattdeutschen in den Unterricht (Schulgesetz, Erlaß, Rahmenrichtlinien) werden von fast der Hälfte aller Befragten nicht zur Kenntnis genommen. An entsprechenden Lehrerfortbildungsveranstaltungen nahmen weniger als 10 % der Befragten teil, und die meisten Lehrerinnen und Lehrer unterschätzen das aktive Sprachpotential ihrer Schülerinnen und Schüler, wenn sie es überhaupt wahrnehmen.

Fragt man nach den Gründen für diese geringe schulpraktische Resonanz auf ein vergleichsweise positives Meinungsklima, so finden wir hinreichend Indizien dafür, daß auch in der Lehrerschaft weiterhin ältere Prägungen die neuere Aufgeschlossenheit für Plattdeutsch
relativieren.


1.2. Plattdeutschförderung: Traditionelle Inhalte und "Offene Schule"

Die stärkste Ablehnung einer (häufigeren) Einbeziehung des Plattdeutschen in den Unterricht artikulieren Lehrerinnen und Lehrer mit einem historisch-sozialwissenschaftlichen Hauptfachstudium. Diese Distanz zu regionalkulturellen Phänomenen bei Lehrerinnen und Lehrern dieser Fachrichtung ist aus der Schulpraxis bekannt und bestätigte sich erneut in unserer Umfrage. Stärker als bei Kolleginnen und Kollegen aller anderen Fachrichtungen basierte die wissenschaftliche Sozialisation dieser Gruppe in den 60er und 70er Jahren auf einem modernisierungstheoretischen Paradigma, in dem Regionalität mit Traditionalismus bzw. "Provinzialismus" gleichgesetzt wurde - unabhängig davon, ob diese Gleichsetzung auf Karl Marx oder Karl W. Deutsch (bzw. Max Weber) zurückverfolgt werden kann.

Diese "Hintergrundüberzeugungen" (vgl. Einleitung zu Kap. 2 der Bestandsaufnahme), für die gerade auch sozialwissenschaftlich orientierte Lehrer/innen eine Meinungsführerschaft haben, werden immer wieder bestätigt, wenn sowohl in der Schulpraxis als auch in den vielerorts kursierenden Unterrichtshilfen und Materialsammlungen das Plattdeutsche stellvertretend für traditionalistische Inhalte steht.

Einen weiteren Hinweis darauf, daß ein traditionalistisches Image schulischer Plattdeutschförderungen die Umsetzung einer generellen Aufgeschlossenheit für Plattdeutsch in entsprechende schulische Aktivitäten erschwert, gibt auch unser Umfrageergebnis, nach dem lediglich 6,3 % der über 50jährigen, aber 20,6 % der bis 50jährigen und sogar 28,6 % der bis 40jährigen das Fehlen geeigneter Materialien beklagen. Gleichzeitig ist aber die Berücksichtigung von Plattdeutsch im Unterricht eine Domäne gerade der älteren Kolleginnen und Kollegen, deren Motivation primär durch "sprachkundliche sowie dialekt- und heimatpflegerische Interessen" (H. Schüwer; vgl. Kap. 2.2. der Bestandsaufnahme) geprägt ist. Aus den Erfahrungen des Pilotprojekts und den Ergebnissen der Lehrerumfrage konnten wir den Schluß ziehen, daß in dieser Altersgruppe "die Beschäftigung mit dem Plattdeutschen eher eine liebhaberische Färbung" gewinnt, "die in einer defensiven Distanz zum Schulalltag verharrt" (vgl. Kap. 2.1. der Bestandsaufnahme) und vor allem im schulischen Randbereich von freien Arbeitsgemeinschaften und außerschulischen Kooperationen gepflegt wird. Andererseits haben aber gerade diese Aktivitäten älterer Kolleginnen und Kollegen einen Trend antizipiert, der heute unter dem Leitbegriff "Öffnung der Schule" erneute Aktualität und Akzeptanz gewonnen hat. Diese "traditionalistische" Offenheit herkömmlicher schulischer Plattdeutschförderung für das außerschulische Umfeld der Heimatvereine, Laienspielgruppen, Heimatmuseen usw. ist ein zentrales Fundament, auf dem auch eine "moderne" Regionalsprachenförderung heute aufbauen kann.


1.3. "Interkulturelles Lernen": nur inter-"national"?

Daß dieses regionalkulturelle Umfeld von jüngeren Lehrer/innengenerationen noch nicht wahrgenommen wird, macht exemplarisch eine Episode deutlich, deren (etwas verfremdete) Schilderung dem Verfasser mindestens ebenso wichtig ist wie die Analyse und Interpretation von Zahlenkolonnen:

Auf einer Schulfeier mit einem interkulturellen Motto trägt ein Chor von Schülerinnen und Schülern auf Initiative einer engagierten Lehrerin das bekannte Lied "Shall always be sunshine" des Folksängers Pete Seeger vor: auf englisch, auf deutsch und dann als Soli mit Chorrefrain in den jeweiligen Sprachen aller ausländischen Mitschülerinnen und Mitschüler. Die interkulturelle Atmosphäre der aufgeschlossenen Respektierung von kulturellen Differenzen und gleichzeitiger alltagspraktischer Integration an dieser Schule wird emotional greifbar und hinterläßt in diesem Auftritt einen tiefen Eindruck bei allen Zuhörer/inne/n. Daß mindestens ein Drittel der Schulkinder dieses Chors neben dem englischen und dem deutschen Text ohne jegliche Aussprache- und Verständnisschwierigkeiten und in emotionaler Identifikation auch die von Helmut Debus auf Schallplatten verbreitete plattdeutsche Version hätte vortragen können, fällt kaum jemandem auf. Die Lehrerin kennt sich als Fachberaterin "Deutsch für Ausländer" in der internationalen Folkmusik ("Weltmusik") aus. Helmut Debus ist ihr unbekannt. Sie selbst lebt seit vielen Jahren in Ostfriesland, versteht etwas Platt, spricht es aber nicht. Plattdeutsch ist in ihrem Deutschunterricht kein Thema. Sie meint aber, daß Landkinder in der Regel schlechtere Deutschnoten haben.

Georg Auernheimer stellt in einem Aufsatz zur "Ausländerpädagogik" nach Auswertung der wissenschaftlichen Literatur fest:

"Sehr verbreitet dürfte ... der "Defizitansatz" sein. Das heißt, man stellt - nicht zu Unrecht - fest: diese Kinder bringen ungünstige Lernvoraussetzungen mit, haben Defizite. Man übersieht aber, daß sie auch andere Voraussetzungen mitbringen, von einer anderen Erfahrungswelt herkommen, die berücksichtigt werden müßte ("Differenzansatz"). Die Erfahrungswelt ist auch deshalb teilweise eine andere, weil die Erfahrungen in einer anderen Sprache, überhaupt mit einem anderen kulturellen Symbolsystem codiert werden. Meist verengt man das pädagogische Problem zusätzlich dadurch, daß man es auf Sprachdefizite reduziert"1)

Die geschilderte Episode zeigt, daß "interkulturelles Lernen" diesen "Defizitansatz" inzwischen hinter sich gelassen und zumindest bei engagierten Pädagog/inn/en auch zu einer produktiven und kreativen Umsetzung des "Differenzansatzes" geführt hat. Es zeigt aber auch in pointierter Zuspitzung, daß für die Wahrnehmung kultureller Differenzen hohe Schwellenwerte existieren, die nationalstaatlich oder sogar "europäisch" definiert sind. Diese Schwellenwerte charakterisieren nicht nur die Schulpraxis, sondern auch die Literatur zum Thema "interkulturelles Lernen".

Wenn Auernheimer für die 80er Jahre noch konstatieren konnte: "Im Umgang mit kultureller Differenz gibt es zwei pädagogische Fehlhaltungen, nämlich entweder sie zu ignorieren, so zu tun, als gäbe es so etwas überhaupt nicht, oder aber die Differenz zu verabsolutieren und für unüberwindbar zu halten. Beide Umgangsweisen wirken entlastend; denn bei Leugnung der Differenz brauche ich mich als Pädagoge nicht um interkulturelles Verstehen zu bemühen, brauche ich nicht auf kulturelle Spezifika im Lernprozeß einzugehen. Aber auch das Verdikt "Die haben eben eine andere Mentalität" enthebt einen weiterer Anstrengungen" (A.a.o.),
... dann scheinen diese beiden Entlastungsstrategien für die schulpraktische Berücksichtigung des Plattdeutschen bis heute weiterhin Gültigkeit zu haben.

Eines der wenigen Beispiele, in denen eine direkte Verbindung zwischen der schulischen Berücksichtigung von Regionalsprachen einerseits und von Muttersprachen ausländischer Mitschüler/innen andererseits hergestellt wird, ist eine Stellungnahme der GEW Niedersachsen zu einem Entschließungsantrag der Fraktion der Grünen: "Förderung von Kindern mit anderer Muttersprache - Gleichstellung derausländischen mit deutschen Lehrkräften" vom 5. Dezember 1989.

_____________________________________

1) Georg Auernheimer: Der heimliche Lehrplan der Diskriminierung. In: PÄDEXTRA, Januar 1992, S. 22

 Die Einleitung beruft sich auf die RRL Deutsch für Grundschulen:

"1. Bedeutung der Muttersprache im schulischen Bildungsprozeß

'Die Ausbildung aller sprachlichen Fähigkeiten ist für die Entwicklung des Kindes von grundlegender Bedeutung. Zunehmende sprachliche Differenzierung trägt zu fortschreitender geistiger Entfaltung und sozialer Entwicklung bei ... Durch lebendigen und vielseitigen Sprachgebrauch schon vor Beginn der Schule lernt das Kind in seiner Muttersprache sprechen und Gesprochenes verstehen ... Das sprachliche Handeln des Schülers schließt sich an das an, was er durch die Familie und die Umwelt sprachlich erworben hat. Der Übergang von Haussprache, Mundart (Dialekt), Niederdeutsch oder regionaler Umgangssprache zur Standardsprache muß sich ohne Bruch vollziehen, wenn die Bereitschaft des Schülers zur Sprachäußerung nicht gestört werden soll ...'

Dieses Zitat stammt aus den Richtlinien für den Deutschunterricht in der Grundschule des Landes Niedersachsen. Daß diese lernpsychologischen und pädagogischen Erkenntnisse nicht nur für deutsche Schülerinnen und Schüler zutreffen, dürfte wohl unumstritten sein. Welchen Stellenwert hat nun aber der Muttersprachenunterricht für ausländische Kinder für das Land Niedersachsen?"1)

Daß diese Einleitung allerdings einen lediglich legitimierenden Charakter hat, wird schon daran deutlich, daß diese Verbindung lediglich als "lernpsychologisches" und "pädagogisches" Argument eingeführt, in der theoretischen Diskussion über Identität und "sprachlich-kulturelle Vielfalt" (a.a.O., S. 26) aber nicht wieder aufgenommen wird: Zwischen der "Mundartpflege" im traditionellen Sinne und dem "interkulturellen Lernen" neuerer Prägung bestehen bis heute scheinbar unüberbrückbare Verständigungsprobleme, die vielfach aus der problematischen Erbschaft der Heimatbewegung2) und aus der historischen Sensibilisierung gegen die vielfältigen Ideologien "geschlossener Horizonte" (Bausinger) herrühren.

Diese Verständigungsprobleme sollten vor dem Hintergrund eines "dynamischen" (W. L. Bühl) Kulturbegriffs3) neu diskutiert werden: "Kultur als 'weltweite Kommunikations- und Diskursgemeinschaft' (W. L. Bühl) verstanden, zwingt zum Abschied von der irrigen Vorstellung geschlossener Stammes- und Nationalkulturen, erlaubt es aber gleichwohl, in den Nationen und Regionen mögliche Bezugssysteme sozialer Integration und kultureller Identität zu sehen." (Hartung, a.a.O, S. 156)

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1) Abgedruckt in: GEW, Landesverband Niedersachsen (Hrsg.): Schule Interkulturell. Materialienband. Hannover 1992, S. 24
2) Vgl. Werner Hartung: "Das Vaterland als Hort von Heimat". Grundmuster konservativer Identitätsstiftung und Kulturpolitik in Deutschland. In: E. Klueting (Hrsg.): Antimodernismus und Reform. Beiträge zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung. Darmstadt 1991, S. 112-156. Hartung nimmt die Diskussionen über den westeuropäischen Regionalismus leider nur über Informationen aus dritter Hand (Blaschke) zur Kenntnis (vgl. S. 122f).
3) Vgl. auch den 1. Entwurf zu der geplanten Empfehlung der Kultusministerkonferenz "Interkulturelle Bildung in der Schule". Unveröffentlichtes Manuskript, o.O., o. J. (August 1996), S. 5.


Daß zu diesem Kulturbegriff auch ein kommunikations- und handlungsorientiertes Verständnis von "regionaler Identität" gehört, wurde weiter oben bereits ausführlich diskutiert (vgl. Bestandsaufnahme, Kap. 1.1. und Kap. 4.1.). Gleichermaßen wichtig ist aber auch die Horizonterweiterung über den regionalen und nationalen Rahmen hinaus, wie sie in der Programmformel des modernen Regionalismus "Global denken, lokal/regional handeln" zum Ausdruck kommt.

Diese dynamische Wechselbeziehung zwischen Regionalität und Globalität prägt auch die "Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen" (vgl. Bestandsaufnahme, Kap. 1.1.). Das Leitbild dieser Charta ist nicht die Konservierung traditionaler Sprachinseln, sondern die kulturelle Anerkennung von praktizierter Mehrsprachigkeit im Sinne einer selbstverständlichen Koexistenz lebendiger Regional- (bzw. Minderheiten-)sprachen, nationaler Standardsprachen sowie mindestens einer international gebräuchlichen lingua franca.

Dieses Leitbild wird von einem Konzept "interkulturellen Lernens" verfehlt, das lediglich der kulturellen Vielfalt jenseits nationaler Grenzen1) und ihrer sprachlichen Abbildung in den jeweiligen Immigrantengruppen Aufmerksamkeit schenkt, kulturelle Binnendifferenzierungen aber ignoriert. Ebensowenig ist heute eine moderne Regionalsprachenförderung ohne die Perspektive interkulturellen Lernens denkbar: Die Sensibilität für den Eigenwert des "Fremden" und die Einübung in Verständigungsbereitschaft beginnen vor der eigenen Haustür. Es geht dabei nicht um eine ideologisierte Gleichsetzung der Integrationsprobleme von Immigrantengruppen mit den Problemen, die die Ignorierung kulturell-sprachlicher Binnendifferenzierung in der Schule für regionalsprachlich aufgewachsene Kinder und Jugendliche mit sich bringen, sondern um den Vergleich gesellschaftlicher Mechanismen kultureller Entfremdung.2)

Daß die Ignorierung des Plattdeutschen als Regionalsprache nicht nur ein sprachliches Kommunikationsproblem ist, sondern sich mit kulturellen Wahrnehmungen und Wertungen koppelt, wird schlaglichtartig an einem Teilergebnis unserer Schülerumfrage deutlich (vgl. Tabelle unten): Vergleicht man die Attribuierung, die einsprachig hochdeutsch aufgewachsene Schülerinnen und Schüler (Gruppen 1 und 2 unseres Sprachtests, vgl. Bestandsaufnahme, Kap. 3.3.1.) mit der plattdeutschen Sprache verbinden, mit denen der in einem bilingualen bzw. plattdeutschen Sprachmilieu (Gruppen 3 und 4) aufgewachsenen, so ergeben sich deutliche Bewertungsunterschiede (vgl. auch Bestandsaufnahme, Kap. 4.3.).

Bei der minimalen Differenz zwischen der Anzahl der vorliegenden Nennungen in beiden Gruppierungen ist ein direkter Vergleich der Bewertungsverteilungen zwischen den standardsprachlich und den bilingual bzw. regionalsprachlich sozialisierten Schülerinnen und Schülern möglich: Wie die Prozentwerte der jeweils zweiten Spalte (Anteile) ausweisen, zeigen sich die größten Bewertungsgegensätze bei den Attribuierungen "langweilig"/"interessant" sowie "häßlich"/"schön", gefolgt von den Bewertungsunterschieden "einfach"/"schwierig" und "altmodisch"/"modern".

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1) "... wobei die Amtssprache eines Herkunftstaates nicht unbedingt Muttersprache aller seiner Bürger sein muß..." (GEW, Landesverband Niedersachsen (Hrsg.): A.a.O.; S. 25). Der Erlaß "Europa im Unterricht" (SVBl. 2/91) spricht zwar von einem "Europa der Regionen", ignoriert aber die Regionalsprachen.
2) "Interkulturalität öffnet zwischen der falschen Alternative Ethnisierung oder Assimilation Räume, in denen sich kulturelle Ausdrucksformen begegnen, miteinander rivalisieren oder sich gemeinsam weiterentwickeln können." (Erste Entwurfsfassung für eine KMK-Empfehlung "Interkulturelle Bildung in der Schule". Unveröffentl. Manuskript (1996), S. 5


Obwohl diese Einzelurteile einen unterschiedlichen Stellenwert im Gesamtspektrum der Nennungen einnehmen (vgl. Gewichtungsprozente), wird deutlich, daß insbesondere das standardsprachliche Vorurteil von der "häßlichen Bauernsprache" immer noch nicht völlig ausgerottet ist und zugleich viele Plattdeutschsprecher die Abwertung "altmodisch" übernommen haben.

(........)

Zumindest auf einen plattdeutschen Muttersprachler üben diese diskriminierenden Restbestände in einem standardsprachlich geprägten schulischen Umfeld einen psychosozialen Druck aus, sich von seiner Muttersprache, nach Sprechsituationen und Adressaten differenziert, gegebenenfalls auch zu distanzieren. Diese Effekte werden in der Schule überwiegend ignoriert oder sogar verstärkt: Eine wesentliche Ursache für die "verborgene Zweisprachigkeit" (Stellmacher) in Norddeutschland!


1.4. Maßnahmen zur Veränderung von schulischem Image und Wahrnehmung des Plattdeutschen

Den Image- und Wahrnehmungsproblemen ist innerhalb eines Maßnahmenbündels zur Verbesserung des schulischen Stellenwerts des Plattdeutschen vorrangige Aufmerksamkeit zu widmen. Sie bestimmen die Akzeptanz entsprechender curricularer und organisatorischer Veränderungen durch die Lehrerschaft (vgl. Bestandsaufnahme, Kap. 2):

  • Überarbeitung des Plattdeutsch-Erlasses im Sinne des sprachlichen und kulturellen Leitbildes der "Europäischen Charta für Regional- oder Minderheitensprachen."
  • Erweiterung des Begriffsverständnisses von "interkulturellem Lernen" auch auf kulturelle Binnendifferenzierungen innerhalb der Bundesrepublik.
  • Anpassung der schulischen Regionalsprachenförderung an die heutige Realität des bilingualen Spracherwerbs mit fließenden Übergängen zwischen überwiegend standardsprachlicher bzw. überwiegend bilingualer und nur noch selten monolingualer regionalsprachlicher Sozialisation.
  • Schulische Aufklärung über und Ermunterung der Elternschaft für eine betont bilinguale Erziehung (Grundsatz: "Eine Person, eine Sprache"!).
  • Relativierung des traditionellen Leitbildes vom "richtigen", weil muttersprachlichen Plattdeutsch-Erwerb durch Anerkennung auch sekundärer Sprachvermittlung: Plattdeutsch ist erlernbar und lehrbar, dies gilt für Schüler/innen wie für Lehrer/innen!
  • Ermunterung zu und Vorbereitung auf eine bilinguale Sprachpraxis in Arbeitswelt (AWT) und Öffentlichkeit (vgl. Bestandsaufnahme, Kap. 1.2.).
  • Traditionalistischer Abwertung des Plattdeutschen durch "Folklorisierung" oder "Musealisierung" entgegenwirken: "Öffnung der Schule" durch Kooperation nicht nur mit "Heimatmuseen" oder "Heimatvereinen", sondern auch z. B. mit kundenorientierten Wirtschaftsbetrieben (Betriebspraktika mit Thematisierung der Sprachpraxis) oder Asyl-Arbeitskreisen bzw. Ausländervereinigungen; sorgfältige Auswahl aktueller Themen, Texte, Materialien, Spiele und Musik in einem regionalkundlichen Lern(um)feld mit transnationalen Bezügen.


2.   Plattdeutsch in der Schule: Von der Liebhaberei zur Reintegration in den Schulalltag

Das beliebteste Argument, mit dem die Unmöglichkeit einer (häufigeren) Einbeziehung des Plattdeutschen in den eigenen Unterricht von Lehrerinnen und Lehrern begründet wird, ist das der mangelnden Zeit (vgl. Bestandsaufnahme Kap. 2.2.). Dieses Argument wird insbesondere von den älteren Kolleginnen und Kollegen angeführt, die mit ihrem vergleichsweise noch hohen Engagement für Plattdeutsch zugleich auch am stärksten das Ausweichen auf freie Arbeitsgemeinschaften und außerschulische Kooperationen favorisieren, während die jüngeren Altersgruppen mehrheitlich dafür plädieren, "Plattdeutsch ... in den dafür geeigneten Fächern (stärker) zum Unterrichtsgegenstand" zu machen (vgl. Bestandaufnahme, Kap. 2.2.), diese Option aber kaum umsetzen.

 

2.1. Rahmenbedingungen für eine schulische Reintegration des Plattdeutschen

Die Distanz älterer Plattdeutsch-Liebhaber zum schulischen Alltag ist nun nicht nur ein Image- und Wahrnehmungsproblem, mit dem das "Stück Resignation und Sich-Einrichten in einem Minoritätenbewußtsein" (a.a.O.) dieser Kolleg/inn/en vollständig erklärt wäre. Die Begründung, für Plattdeutsch sei "zu wenig Zeit" vorhanden, deutet auch auf defizitäre organisatorische Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen hin. Eine schulische Aufwertung des Plattdeutschen setzt eine Verbesserung entsprechender Rahmenbedingungen voraus.

Die rechtliche Grundlage dieser Verbesserungen ist durch die Definition des "Bildungsauftrages der Schule" in § 2 des Niedersächsischen Schulgesetzes i. d. F. vom 8. Mai 1996 gegeben, in dem es u. a. heißt: "Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden, (...) ihre Wahrnehmungs- und Empfindungsmöglichkeiten sowie ihre Ausdrucksmöglichkeiten unter Einschluß der bedeutsamen jeweiligen regionalen Ausformung des Niederdeutschen oder des Friesischen zu entfalten ... Die Schule hat den Schülerinnen und Schülern die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln."

Dieser Bildungsauftrag verpflichtet, ebenso wie das Bildungsprinzip des interkulturellen Lernens, nicht nur ein Schulfach, sondern Unterricht und Schulleben insgesamt. Die hierfür zu verbessernden schul- und unterrichtsorganisatorischen Rahmenbedingungen sollten landesweit insbesondere folgende Maßnahmen umfassen:

  • Unterstützung des (vorhandenen bzw. zu schaffenden) Netzwerkes von schulischen Obleuten für Plattdeutsch und Mitgliedern des Mesterkrings durch Einsetzung von Fachberatern auf der Ebene des Einzugsbereichs der bisherigen Schulaufsichtsämter, zumindest aber im (erweiterten) Einzugsbereich der zukünftigen Außenstellen der Bezirksregierungen.
  • Explizite Erwähnung regionalsprachlicher Bezüge und Inhalte auf der Konkretionsebene von Lehr- und Lernzielen bzw. Intentionen der verbindlichen Lern- oder Themenbereiche in den Fächern Deutsch, Sachunterricht/WUK/GSW (bzw. Einzelfächer), AWT und Musik (vgl. unten).
  • Einbeziehung plattdeutscher Anteile (Sprachvergleich) in die Ansätze früher Fremdsprachenbegegnung ("frühes Fremdsprachenlernen") Englisch oder Niederländisch in der Grundschule.
  • Angebote eines Spracherwerbskurses Plattdeutsch (AG) in der Orientierungsstufe in Ankoppelung an den Pflichtunterricht (Deutsch).
  • Angebot von Wahlpflichtkursen/wahlfreien Kursen ab Orientierungsstufe für berufsorientierten Spracherwerb Plattdeutsch und sprachkulturelle/regionalkundliche/interkulturelle Themen.
  • Einrichtung von Versuchsschulen bzw. Ermunterung zur thematischen Nutzung einzurichtender schulischer Stundenpools für Schulprofilbildung im Schwerpunkt Plattdeutsch.
  • Dezentrale Ausarbeitung und zentrale Herausgabe von "Empfehlungen und Materialien zur schulischen Plattdeutschförderung" des Kultusministeriums auf der Basis der erarbeiteten Materialien des Pilotprojekts "Plattdeutsch in der Schule" unter Anpassung an die jeweiligen Sprachrealitäten der Regionen. Entsprechende Anpassung des "Plattdeutsch-Erlasses" von 1987 (vgl. oben 1.4.) unter Schaffung regional differenzierter rechtlicher Rahmenbedingungen.


2.2. Curriculare Mindestanforderungen für eine schulische Reintegration des Plattdeutschen

Im ersten Kapitel der Bestandsaufnahme wurde bereits darauf hingewiesen, daß das Plattdeutsche im niedersächsischen Nordwesten im Vergleich zu allen anderen norddeutschen Regionen und Bundesländern sein "Kerngebiet" (Stellmacher) hat. Die in der GETAS-Umfrage festgehaltenen Unterschiede der faktischen Verdrängung des Plattdeutschen durch das Hochdeutsche sollten durch eine Sekundäranalyse der im INS Bremen vorliegenden Daten möglichst kleinräumig - für den Einzugsbereich der bestehenden Fortbildungsregionen - spezifiziert werden, was allerdings bei der Größe der Stichprobe nur durch eine kritische, erfahrungsgestützte und vorsichtige Interpretation möglich sein wird. Zu ergänzen wären diese Ergebnisse ggf. durch eine Lehrer- und Schülerbefragung nach dem Muster der Pilotprojekt-Umfragen.

Auf dieser Basis lassen sich die oben geforderten schulrechtlichen und inhaltlichen Differenzierungen für eine regionale Umsetzung von "Empfehlungen und Materialien zur schulischen Plattdeutschförderung" (vgl. oben 2.1. letzter Empfehlungspunkt) begründen. Gleichwohl sollten in die Rahmenrichtlinien der oben genannten Fächer mit einem höheren Verbindlichkeits- und Konkretionsgrad als bisher bestimmte regionalsprachliche Bezüge und Inhalte mit landesweiter Gültigkeit, aber in flexibler Extensität, festgeschrieben werden (Beispiele jeweils in den Veröffentlichungen des Pilotprojekts "Plattdeutsch in der Schule"):

 

(Hier folgen im Original dieser Veröffentlichung detaillierte Vorschläge für eine Erweiterung bzw. Ergänzung der vorhandenen Lehrpläne,differenziert nach Schulformen und Schulstufen. Da diese Lehrpläne inzwischen längst überholt sind, wird auch auf den Abdruck der hierauf bezogenen Vorschläge des Pilotprojekts verzichtet.)

 

3.   Lehreraus- und -fortbildung: Plattdeutsch als Zusatzqualifikation in neuen Kontexten

Unsere Bestandsaufnahme war zu dem Ergebnis gekommen, daß Lehrerfortbildungsmaßnahmen für eine Einbeziehung des Plattdeutschen in den Unterricht nur einen sehr geringen Prozentsatz der Lehrerschaft erreichen. Die Gründe hierfür sind zum einen im Image des Plattdeutschen zu suchen (vgl. oben Kap. 1), zum anderen fehlt der weit überwiegenden Mehrheit der heutigen Lehrer/innen/generation eine entsprechend fundierte Ausbildung, an die Fortbildung anknüpfen könnte. Fragestellungen der Empirischen Kulturwissenschaft bzw. Volkskunde oder Europäischen Ethnologie oder der Kultursoziologie sind Lehramtskandidaten in der Regel nicht geläufig, da diese Fächer keine anerkannten Nebenfächer sind und aufgrund ihrer (überwiegend) universitären Eigenständigkeit weder in den Studienplänen noch in den Prüfungsordnungen des gängigen Fächerkanons auftauchen. Die größte Wahrscheinlichkeit, mit aktuellen regionalkulturellen Themen konfrontiert zu werden, besteht heute nicht in einem Germanistikstudium, sondern in einem Studium der Fächer Erdkunde, Europäischer Ethnologie, Soziologie und Politikwissenschaft.

Da nur die Staatsexamensordnungen unmittelbar staatlicher Einflußnahme im Inhaltlichen zugänglich sind, wären hier Ansatzpunkte für eine Einarbeitung der erwähnten Fragestellungen gegeben. Insbesondere für das Fach Germanistik ist eine Ergänzung philologischer Fragestellungen, ggf. auch durch Anerkennung entsprechender Nebenfächer für ein Lehramtsstudium, wünschenswert. Gleichwohl sollten auch philologisch orientierte Sonderqualifikationen in der Beschäftigung mit Plattdeutsch (Oberseminar- bzw. Hauptseminarscheine, Prüfungsspezialgebiet) und nachgewiesene Sprachkenntnisse als Zusatzqualifikationen gewertet werden, die für eine Übernahme in das Lehramt unter sonst gleichen Voraussetzungen ausschlaggebend sein könnten.

Wesentlich schwieriger ist die Vermittlung regionalsprachlicher und -kultureller Themen in der Lehrerfortbildung. Anreize für eine höhere Akzeptanz dieses Themenkomplexes liegen in erster Linie in einer Aufwertung des Plattdeutschen durch die Einrichtung von Fachberaterstellen (vgl. oben 2.1.) und durch einen höheren Verbindlichkeitsgrad der in die Rahmenrichtlinien aufgenommenen Themen (vgl. oben 2.1. und 2.2.).

Ebenso wichtig ist allerdings die gezielte Arbeit an einer Image- und Wahrnehmungsveränderung der "Mundartpflege" im Sinne moderner Regionalsprachenförderung. Die "Lücke" zwischen dem hohen, aber abstrakt bleibenden Interesse der Lehrerschaft am Plattdeutschen
einerseits und dem persönlichen Engagement einer kleinen Minderheit für eine Einbeziehung des Plattdeutschen in den Unterricht wird immer wieder durch eine überwiegend traditionsorientierte "Gemütlichkeit" von Fortbildungsinhalten zementiert.

Zweisprachigkeit als Basis für einen erleichterten Fremdsprachenerwerb, interkulturelles Lernen ohne Fixierung auf ein fragwürdiges Konzept von "Nationalkulturen"1) , ein offenes und handlungsorientiertes Verständnis von (regionaler) "Identität", der Verweis auf die Gleichzeitigkeit von Regionalisierungs- und Globalisierungstendenzen, Akzeptanz der Lehr- und Lernbarkeit einer Regionalsprache gegen überzogene (defensive) "Authentizitäts"-Normen der "Muttersprachler", die Verbreitung eines "dynamischen" Kulturbegriffs gegen die Gefahren einer "Ethnisierung" kultureller Differenzen in "geschlossenen Horizonten" - dies sind die Ansatzpunkte für eine höhere Akzeptanz des Themas "Plattdeutsch in der Schule", die sich aus unserer Bestandsaufnahme ergeben.

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1) Vgl. zur Kritik auch: F. Hamburger: Der Kulturkonflikt und seine pädagogische Kompensation. In: E. J. Dittrich, F.-O. Radtke (Hrsg.): Ethnizität. Wissenschaft und Minderheiten. Opladen 1990, S. 318

Ein neuer Grundsatzerlaß und entsprechende "Empfehlungen und Materialien" könnten die Grundlage (vgl. oben Kap. 2.1.) für eine Überführung der generellen Aufgeschlossenheit in schulpraktisches Engagement und eine entsprechende Fortbildungsnachfrage werden - dies zumindest in den niedersächsischen Regionen, in denen das regionalkulturelle Umfeld die ungebrochene Lebendigkeit der alltagspraktischen Verwendung des Plattdeutschen wachgehalten hat.

 

 

Veröffentlichungen des Pilotprojekts

Borssum, G. v.: Doon deit lehren! (II) - Plattdeutsch in den Schulformen der Sek.I; Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1996 (2 Halbbände)

Borssum, G. v.: Unterrichtseinheiten "Plattdeutsch in der Schule"; Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1997 (in Vorbereitung)

De Moordörpers - arm un doch riek? - Vertellsels ut de Histoorje van Moordörp, sammelt un upschreven van Gerdina Kranz, mit Bidragen van Udo Franken, Helmut Kroon, Gerold Meinen, Margrit Meinen; Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ),
Aurich 1996

Franken, U.: Doon deit lehren! (I) - Plattdeutsch in der Grundschule und Orientierungsstufe; Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1996

Knabe, H., Nath, C.: Nu man to! (Sprachlehrgang); Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1996

Kroon, H., Meinen, G., Melles, H. (Hrsg.): Goden Mörgen, du Slaapmütz - Plattdütske Leder dör Dag un Jahr för Kinner van 't 1.-6. Schooljahr; Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1995

Neje plattdütske Theaterstücken för Kinner un jung Lü (all Ollersgruppen), Handbook för Mesters/kes (all Schoolförms), Tosamenstellen: Fackstee Oostfreeske Streektaal (FOS) / Pilotprojekt "Plattdütsk in de School", Red.: Cornelia Nath; Ostfriesische Landschaft, Regionales
Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1994

Zu diesem Handbuch mit Kurzbeschreibungen und theaterpädagogischen Hinweisen für eine Auswahl von Stücken, die für den Autorenwettbewerb "Kinder- und Jugendtheater" der Arbeitsgemeinschaft Ostfriesischer Volkstheater (1991/92) aus ganz Norddeutschland eingereicht wurden, sind im RPZ Rollensätze erhältlich. Die schulischen Aufführungsrechte für Ostfriesland hat das RPZ erworben.
Folgende Stücke sind als Rollensätze gedruckt:
Für Kinder unter 6 Jahren:
De Steernenkinner; Gretel, Kasper un Seppel fangt de Rover
Für Kinder von 6-13 Jahren:
Sketche: Vandaag maal na Alaska; Dat Denkmaal leevt; Wat is Wiehnachten
Kurzspiele: Arger in't Märkenland (Wettbewerbspreis); De lüttje Detektiv (Wettbewerbspreis); Herms eersten Schooldag; Sneeiwittje up Video;
Jümmer up de Lüttjen; De Utflug; Dat Hiemd van den Glücklichen
Für junge Leute ab 12 Jahren:
Sketche: Keen Swemmtied vandaag (Wettbewerbspreis)
Kurzspiele: Doping; De gerechte Dood
abendfüllend: Himmel un Eer (Wettbewerbspreis); Verslapen (Wettbewerbspreis)
Sonderpreis: Tilmann un sien lüttje Swien (Für Zuschauer von 6-13 Jahren, für Schüler ab 13 Jahren)

Plattdeutsches Lesen (GS); Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1995

Plattdeutsches Lesen (OS); Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1995

Plattdeutsches Lesen (7. u. 8. Klasse), Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1995

Plattdeutsches Lesen (ab Klasse 9), Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1995

Ueberberg, V. (Hrsg.): Hopp-Popp-Tirreltopp - Neue plattdeutsche Kinderlieder, "Lederbookje" zur gleichnamigen MC; Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1996

Winterwiehnacht - Kinnertied, Jan Cornelius & Kinder aus Ostfriesland - Plattdeutsche Winter-und Weihnachtslieder (MC), Sonderausgabe für Schulen; Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1993

Winterwiehnacht - Kinnertied, Begleitheft zur gleichnamigen MC; Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich 1994

Weitere Veröffentlichungen:

Auge, Gertrud: THEATER SPIELend leicht?!? Herausgegeben von der Ostfriesischen Landschaft / FOS, Aurich 1995. (Einführung in plattd. Kindertheaterarbeit)

Eden, Berend u. Höschen, Stefan: Sprachformen der Region, Ostfriesland - Groningen; Ostfriesisches Kultur- und Bildungszentrum (KBZ), Aurich 1987

Hillerns, Mareka (Red.): Plattdeutsch - Hochdeutsch, zweisprachiger Deutschunterricht; Ostfriesisches Kultur- und Bildungszentrum (KBZ), Aurich 1984, 19904

Koom, sing un danz mit mi - 15 plattdeutsche Sing- und Tanzspiele für Kindergärten, Vorschulen und Grundschulen; Ostfriesische Landschaft, Fackstee Oostfreeske Streektaal (FOS), Aurich 1995

Helmut Kroon (Hrsg.): Mit Kippkappkögels kom'n wi an; Ostfriesische Landschaft, Regionales Pädagogisches Zentrum (RPZ), Aurich, 3. Auflage, 1995

Video-Dokumentation: "Arger in 't Märkenland". Aufnahme der Uraufführung des preisgekrönten Kindertheaterstücks von Ingrid Straumer am 28.10.1995 in Burlage.

Umfangreiche Literatur-Empfehlungen finden sich in den Veröffentlichungen zum "Plattdeutschen Lesen" und in den beiden Stufenprodukten des Pilotprojekts.

Die bisher etwa 100 Veröffentlichungen des RPZ (früher KBZ) markieren das regionalkundliche Lern(um)feld, von dem weiter oben die Rede war (S. 64). Eine Liste der nicht vergriffenen Titel ist auf Anfrage erhältlich.

 

(Auf eine Veröffentlichung des hier folgenden umfangreichen Materialien-Anhangs wird an dieser Stelle verzichtet. Hier sei wieder auf die Druckversion dieses Abschlussberichtes verwiesen.)